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sucht, getastet hat. Aber er vertritt das nur so beiläufig
so fand ich keinen Feuergeist, ahnte nur sein Temperament und
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13. Miscellan¬
u
war am meisten enttäuscht, als ich die Bahr=Locke verschwunden leuchten,
seiner W.
fand, die so lange richtunggebend für das Aeußere jungen
da komme
Talente war.
Arthur Schnitzler zum Sonnenthal¬
Ein Gast kam, da wir eben sprachen, und ich muß ihn ein- bei der er
Jubiläum.

Radfahren
führen, denn es ist Dr. Arthur Schnitzler. Der machte sich nun
Donnerstag wird im Wiener Burgtheater
gleich bequem, und es schien ihm ein Vergnügen, zu sehen, wie
das 50jährige Künstlerjubiläum Adolf Son¬
ein Anderer porträtirt wird. Bahr ist sehr leicht zu treffen, und mich. Da
nenthals gefeiert. Aus diesem Anlasse ver¬
Reflexe
er macht Einem die Arbeit auch angenehm. Kennt er doch
öffentlicht das Extrablatt einige Dichtergrüße,
diesem Re
von denen wir hier nachfolgende Verse Arthur
selbst das Metier und weiß, daß es nichts Angenehmeres gibt
Schnitzlers wiedergeben, welche den Jubi¬
als auf ein Modell zu stoßen, das Kanten und Ecken hat, an gethan mit
lar als Interpreten des Dichters rühmen.
Noch
die man den Meißel setzt.
Seht mir den endlosen Zug von vielfach bedeutenden
„Ob er seinen Einfluß auf die Auswüchse der Modernen gangene
Schatten!
wiran
in Literatur und Kunst zugesteht oder ob es Legenden sind, die
Manchen, den längst ich vergaß; manchen, der nie
Bierhaus
ihm die vielen Vaterschaften zusprechen?"
mir entschwand.
auf den A
Bahr lächelt und zögert mit der Antwort, und Schnitzle
Niemals so bunte Gesellschaft vereint auf dem
Und
Wege betraf ich:
meint mit seiner feinen, gut abgetönten Stimme: „Ist das nicht ein
Bürger und Sträfling
König wandelt und Hel¬
bißchen zu grobe
es war ja
vorbei,
Herr Bahr verwahrt sich dagegen, so vieles Unfruchtbar¬
Auf
Auch den Verführer gewahr ich, den Narren, den
Bahres
gezeugt zu haben. Es sind also Legenden. „Denken Sie," sag
Künstler, den Weisen:
er, „Mirbeau entdeckt Maeterlinck in Paris und ich führe den Haus war
Purpur und Panzer ergänzt hell unter Frack und
Talar.
Dichter, durch den Artikel im „Figaro" angeregt, in Wien als blau.
Schweben die einen dahin im Schimmer unsterb¬
Conferencier ein. Bin ich da der Vater? — Oder denken Sie
sieht,
licher Hoheit
vielleicht, daß ich die Secession erfunden habe, oder daß ich an
Schleichen die andern bedrückt, wie aus den
den Versen Hoffmannsthals Schuld trage?
Grüften gelockt
Doch wer schwankt aus der Reih und grüßt mich
Und das Café Griensteidl? Die legendarische Kaffeehaus¬
besonders vertraulich?
literatur
Vater Christinens
Gütig verzeih'nder Cellist
Bahr lächelt und Schnitzler greift in die Debatte ein.
bist du's
Der Eine erklärt, in seinem Leben nur zweimal mit Schnitzler
Und ein Zweiter! Ich kenn' dich, o weiser, be¬
trogener Professor
und Hofmannsthal zusammen in dem genannten Café gewesen
Dem so verspätet als milo eine Gefährtin
zu sein, der Zweite ist geärgert darüber, daß man noch immer
erschien
in „trefflich" informirten Zeitschriften von ihm als Kaffeehausdichter
Und auch du bist zur Stell, Komödiant aus ver¬
spricht. Und ich entnehme den Ausführungen Folgendes: Das
dächtiger Schänke
Dem aus pathetischem Trug ahnungsvoll Wahrheit
mit dem Café Griensteidl und den großen Schlagworten, die
erstund
dort von Bahr ausgegeben worden sein sollen, ist Erfindung und
Dank euch Drein für den Gruß! Und nun gesellt
Eselei. Aber Bahr amüsirt sich darüber, daß die Legende noch
euch den andern,
heute erhalten ist. Er will Mode gemacht haben vor Jahren in
Die sich in festlichem Gang nah'n dem begnadeten
Haus
Berlin, als er, Tovote und Holz einen neuen Stil creirten
Oeffnet sich aber das Tor, so neiget euch tief
Damals liebte er die kurzen Sätze, die Gedanken mußten knapper
vor dem Meister,
präcisirt sein, die durchwachten Nächte trugen auch Schuld daran
Der in euch alle zuerst Atem des Lebens gehaucht.
And Andere machtens ihm nach. Heute ist das anders, er ertappt
sich auf langwierigen Perioden und bringt das mit seiner ver¬
änderten Herzthätigkeit, mit Vielschreiberei und Lectüre zu¬

sammen.
Wiener Portrats.
Wir kommen auf Kritik und ihren Einfluß auf den schaffenden
XLVI.
Künstler.

Hermann Bahr.
Bahr gibt seine Ansicht kund, die dahin geht, daß der
Schleierumhüllt liegt die Stadt noch im halben Winter= Kritiker lediglich fürs Publi um sein Amt ausübt. Belehrung der
schlaf, und draußen auf den freieren Höhen pocht der Frühling Leute ist seine Mission, für den Künstler ist sie bedeutungslos.
schon an die Thore. Da liegt der Garten in der jungfräulichen Denn Bahr glaubt nicht, daß der Künstler durch das Wort des
Pracht des Werdens, die Stöcke noch vom Reif umfangen, de
Tadels oder des Lobes ein Anderer werden kann, und gerade so
Rasen aber schon fett und locker und erdig duftend. Ein letzter wenig der Dichter.
Sonnentag und die Keime tauchen empor ans Licht zur Auf¬
„Die schlechte Kritik hat also keinen Einfluß?
erstehung. — Ein Haus, eigenartig und sonderbar, paßt mit der
„Auf den Künstler nicht!
Nüchternheit der Mauern, mit den Fenstern, die wie aufgerissene
„Doch," unterbricht Schnitzler, „er giftet sich."
Mäuler aussehen, nicht recht in die herbe Landschaft.
Und wir sind nun mitten im Thema: Ungerechte, persönliche
Nur ein Marillenbaum hat seine Blüthenpracht entfaltet und Beurtheilung, Verrohung der Theaterkritik.
grüßt mit den bestreuten Zweigen. Es ist schier unangenehm, daß
Bahr mag die Kritik nicht, die persönlich wird und hat den
die Natur sich nicht dazu verstehen will, einem modernen Haus
Stachel selbst empfunden, als man beispielsweise nach seinem
die richtige Stimmung zu geben, die Blüthen sollten größer, die „Apostel
schrieb: „Der Dichter, der eine Villa in Ober=St. Veit
Zweige geradliniger sein.
besitzt
"Schnitzler denkt milder, er will nur nicht, daß
Und vollends stört der Hausherr. Da kommt ein Mann, die Kritik böswillig sei; schließlich ist er der Ansicht, daß
der bisher in der Sonne gesessen, groß und kräftig mit durchaus Sudermann'sche Rummel nicht sehr begründet war, denn das
unregelmäßigem Gang, von Antlitz finster und noch furchtbare
persönliche Moment bei der Beurtheilung hätten schon Goethe und
durch Kleidung und Begleitschaft. Jägermäßig ist seine Tracht, der
Schiller empfinden müssen. Ein gesuchter Witz in einem Referat
aufgestülpte Hul, die Wadenstrümpfe und zwei böse Hunde an der sei aber keine so himmelschreiende Sache, denn ein guter Spaß
Koppel vervollständigen den Eindruck: Kaspar, der wilde Jäger
ist mir lieber, als ein schlechtes Stück“
Aber es ist nur Hermann Bahr in seiner Behausung in Ober¬
Ein schlechter Kritiker kann mich nicht ändern, sagt Herr
St. Veit. Wir treten in das Haus und der grün=blaue Zauber Bahr, aber ein weiser Kritiker kann es wohl dazu bringen, das
umfängt mich bald. Da gibt es Räumlichkeiten, klein und zierlich ich in Erkennung meiner Mängel mein Werk aufgebe. Und dazu
und größer, bauernmäßig, aber es ist Alles luftig und licht und kann den Dichter der Kritiker bewegen; das zeigt sich trefflich be¬
man sieht sich so was riesig gerr an und freut sich noch mehr, Grillparzer, den die Kritik verbittert hat und nicht die Censur¬
wenn man draußen ist. Aber das muß wohl Gewohnheit sein.
Es ist höchst überflüssig, wenn ich von Schnitzler beispielsweise
Ich habe mich in der Villa Bahr gründlich unmöglich gemacht, schreibe, daß ihm zum Shakespeare etwas fehlt. Das kann ihn
denn ich hielt mir die Augen zu, als wir über einen grellblauen nicht besser machen, denn er weiß, daß ihm nur Eines dazu
Teppich schritten; das soll nicht die richtige Auffassung
fehlt: das Talent. Nicht wahr, das stimmt doch! Und Schnitzler
Olbrich'scher Kunst sein. — Aber es gibt hier schöne Bilder bejaht.
von den Größen der neuen Kunst, und man sieht deutlich
Bahr fuhr mit Sudermann nach der Première der „Drei
wie sie den Nahmen heben. Niemals schienen mir auch
Reiherfedern" nach Berlin und merkte dem Dichter schon im
Tulpen so wunderbar farbig und sein als in dem blauen Zimmer,
Coupé an, daß er mit der „Verrohung in der Kritik"
schwanger
da sie ihre Köpfe hochauf, fast duftvoll zur Decke strecken, ging. Sudermann war beispielsweise von einem Referat gekränkt,