VII, Verschiedenes 13, undatiert, Seite 111

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Nichts zu thun; seine Aufgabe ist, ein Ge¬ ob es dem Dichter gelungen ist, über eine bestimme
schmacksurtheil abzugeben und das empfiehlt
Der Theatererlaß des
Tendenz sich auszusprechen, die man vorher als
sich besser nach als vor der Aufführung. Bei dem
zulässig erkannt hatte.
dritten Mann besteht die Gefahr, daß er sein Ge¬
In dem Erlasse des Ministerpräsidenten berührt
Ministerpräsidenten.
schmacksurtheil immer seinem Votum zu Grunde
die offene Sprache angenehm. Er gibt den Censoren

legen wird, wie dies in Zeiten heftiger literarischer
einen Wink, sich den Wandel der Zeiten vor Augen
Der Erlaß des Ministerpräsidenten Doctor
Kämpfe — es ist noch nicht so lange her — auch
zu halten und es bedeutet nicht wenig, wenn in
v. Koerber über die Handhabung der Theater den besten und feinsten Köpfen passirt ist.
einem amtlichen Erlasse offen zugestanden wird, daß
censur, den wir in unserem Ostersonntagsblatte
Uebrigens verlangt ja der Erlaß auch be¬
die Versuche einer gewaltsamen Hemmung sich erfolg¬
veröffentlicht haben, hat in allen Kreisen, in denen
dem Verwaltungsbeamten und dem richterlichen
und werthlos erwiesen haben.
Beamten, die in den Beirath berufen werden sollen,
man sich für das Theater und seine Freiheit
literarische Bildung, dasjenige Verständniß für die
interessirt und wo wäre dies mehr i Fall, als
Aufgaben der Bühne, das zur Uebung des Censor¬
in Wien? — großes und berechtig Aufsehen
Hof- und Gerichtsadvocat Dr. Edmund
amtes nothwendig erscheint.
hervorgerufen. Ueber die Tendenz des Erlasses
Benedikt.
So klar der Erlaß im Allgemeinen stylisirt
herrscht nur eine Stimme: Man erkennt all
ist, er enthält doch Stellen, die leicht einer Mi߬
gemein an, daß der Erlaß des Ministerpräsidenten
Die Regierung
soll nicht berechtigt sein,
deutung unterliegen können. Dazu gehört der Passus,
Verbreitung irgend
welcher Ideen
ausschließlich von Wohlwollen für die freie Ent¬
in welchem es heißt: „Allein die pure, crasse Sinn
verhindern. Deshalb war die Büchercensur
wicklung der Bühnendichtung und der Bühnen
lichkeit muß sich die Fernhaltung von der Bühne
ganz unstatthaft. Dagegen glaube ich, daß
dictirt ist und daß er die durchaus anerkennens¬
ebenso gefallen lassen, wie sie vom gesellschaftlichen
die Theatercensur im Princip nie ganz zu
Verkehre seit jeher ausgeschlossen ist.
werthe Absicht hat, den Polizeigeist, der von
entbehren sein wird, weil auf der Bühne Hand¬
Ich mache mich anheischig, auf Grund dieser
früheren Zeiten her das kritische Walten der
lungen vor einer großen Versammlung sich voll¬
Stelle — „Romeo und Julie zu verbieten
Censurbehörden nur allzusehr beeinflußt hat, in
ziehen. Wenn Jemand ein Buch liest, in welchem
weil die Situation, in der sich dieses Liebespaar
die gebührenden Schranken zu verweisen. Wenn
noch so viele revolutionäre Ideen propagirt werden,
am Morgen nach der Brautnacht befindet, kaum mit
man das Theater einen Tempel der Kunst nennen
so kann sich doch nicht jene Atmosphäre entwickeln,
den — Forderungen des gesellschaftlichen Verkehre
kann, so hat der Ministerpräsident nun eine
in der Explosionen möglich sind, wie beim Theater.
vereinbar ist. Ich könnte noch mit ganz anderen
Die Schaubühne darf nicht zum Schauplatze von
Tempelaustreibung im Sinne, bei welcher eng¬
Beispielen aufwarten; ich thue es aber nicht, weil
Vorbereitungsarten für gewaltthätige Handlungen
herziges Bureaukratenthum und alter Zopf aus ich weiß, daß der Herr Ministerpräsident nur die
gemacht werden; man darf nicht Dinge vorführen,
Zote tressen, der Jote di¬
den Räumen, die der Kunst gewidmet sind, ver¬
verschließen will.
die, weil sie vor einer Versammlung geschehen,
Ein übereliriger Censo¬
an den Tenor
wiesen werden sollen. Nicht der Schrankenlosigkeit
auch empfindlicher das Schamgefühl verletzen. Die
des Erlasses sich ha=
unter „purer
soll Thor und Thür geöffnet werden, aber die
Polizei in absolutistischen Staaten hat engherzig die
crasser Sinnlichkeit"
Dinge suchen, er
Censur soll größere Beschränkung erfahren und
Discussion von politischen oder socialen Fragen auf
kann mit diesen Wort nicht gegen Dichtungen
die Bühne soll mehr Freiheit erhalten. Dies ist das
der Bühne verhindert — aber der Zote wurde ein
wie Halbes „Jugend zum Streiche ausholen. Ich
Hauptprincip des Erlasses, der es gestatten wird,
breiter Spielraum gewährt. Die Zote erschien weniger
legge den Nachdruck auf das Wort „Dichtungen" und
gefährlich, sie wurde als Ventil genommen, als
daß sich im Rahmen des Theaters nun auch die
habe damit meinen Standpunkt begründet. Jeder
Compensation gegeben für die Niederhaltung poli¬
socialen Erscheinungen des Lebens von heute, so wahren, echten Dichtung muß die Bühne sich
tischer Meinungen.
wie sie das Auge des Dichters sieht, wiederspiegeln
aufthun
Es hat sich ein Wandel der Zeiten schon seit
Wenn man schon die Censur als eine Institu¬
können. Gerade die moderne dramatische Dichtung
Langem ergeben und es wird noch mancher Wandel
tion anerkennen will, dann ist die Beschreitung des
hat am meisten Veranlassung, sich dieses Erlasses zu
folgen So wird man sehr bald — ich hoffe es und
Rechtsweges, meines Erachtens nach, das einzige
freuen. Denn er erleichtert ihr den Zutritt zur
glaube es mit Bestimmtheit annehmen zu können
Mittel, um Uebergriffe einzelner Censoren zu ver¬
Bühne, der ihr bisher oft durch allerlei von über¬
Hauptmann's „Die Weber freigeben müssen,
hüten.
ängstlicher oder übereifriger, unliterarischer oder
weil doch Niemand wird behaupten können, daß auf
In Preußen ist folgender Rechtsweg: Polizei,
unkritischer Censur vorgeschobene Querbalken ver¬
die Aufführung dieser Dichtung Gewaltacte außer¬
Bezirksausschuß, Oberverwaltungs=Gericht. Und da
legt war.
halb des Theaters folgen werden.
entsinne ich mich, daß Gerhart Hauptmann's „Die
Wenn man Zweifel hegen könnte, ob die
Es erschien uns richtig, das Urtheil von
Weber“ von der Polizei und vom Bezirks¬
Person des Heilands auf die Bühne zu bringen
Fachleuten über den Erlaß des Ministerpräsidenten
ausschuß in Berlin verboten wurden
wäre, so ist dieses Bedenken durch die Passions¬
Bezirksausschuß sitzen neben den Richtern die Ver¬
einzuholen. Wir befragten einen Theaterdirector,
spiele in Oberammergau und Brixlegg widerlegt.
treter der Burgerschaft. Was that das Ober¬
einen Dichter und einen angesehenen Juristen um
Die Idee des Censurbeirathes ist nicht neu.
verwaltungsgericht? Dort sitzen nur gelehrte Richter.
ihre Meinungen über den Erlaß. Sie Alle, die
Ich begrüße aber trotzdem den Erlaß des Minister¬
Sie hoben das Verbot auf und gaben „Die
gewiß als competente Richter über die Be¬
präsidenten, weil er eine in Vergessenheit gerathene,
Weber“ frei.
stimmungen des Erlasses anerkannt werden
wichtige Institution wieder lebendig machen will.
Ich halte die Censur für eine Rechtsfrage.
müssen, begrüßen den Erlaß im Allgemeinen
Mit welchem Erfolge, wird sich zeigen. Es bleibt
Deshalb verlange ich die reinliche Scheidung aller
abzuwarten, ob nicht die Beamten im Beirathe den
sympathisch, aber sie erheben Einwendungen gegen
ästhetisch=kritischen Geschmack urtheile von allen eigent¬
literarischen Fachmann majorisiren werden. Von
manche Einzelnheiten. Wir geben im Nach¬ lichen Censurfragen. Weil ich dieser Anschauung bin
diesem literarischen Fachmanne erwarte ich nur
vermag ich in der Beiziehung des „dritten Mannes
stehenden das, was wir vernommen, wieder:
eigentlich wenig.
keinen Vortheil zu erblicken.
Die vom Minister Bach im Jahre 1850 er¬
Der Director des Hofburgtheaters
lassene Theaterverordnung kennt bereits einen Beirath
Der Censurbeirath
„sachverständiger Männer“.
Dr. Paul Schlenther:
Dr. Arthur Schnitzler:
vielleicht kommt
wurde damals nicht gebildet,
Ich bemerke zunächst, daß durch den Erlaß
Der urbane, vornehme Ton des Erlasse
er diesmal zu Stande. Mit welchem Er¬
des Herrn Ministerpräsidenten Dr. v. Koerber das berührte mich sehr sympathisch. Wenn ich auch nicht
folge, wird ja die Zukunft lehren. Ich persönlich
Hofburgtheater nicht berührt wird. Wir haben unsere
der Kundgebung des H. a Ministerpräsidenten rück¬
bin kein Anhänger dieser Instin on, weil
Hauscensur und wir werden sie hoffentlich auch
haltlosen Beifall zu spenden vermag, so bedeutet sie
die Censur nur beschränkt werden soll auf die
behalten. Ich kann mir einen glückseligeren Zustand
doch einen wesentlichen Fortschritt
Begehung strafbarer Handlungen, desgleichen, wenn ein
nicht denken. In den nachfolgenden Zeilen nehme
Bühnenwerk direct Unruhen hervorzurufen geeignet
Nach dem Erlaß wird ein Censurbeirath aus
ich deshalb
als Director des Burgtheaters drei Männern gebildet. Wer werden diese Persön¬
erscheint. Um solche zu verhindern, braucht man
nicht das Wort. Ich würde jedoch selbst dann,
keinen Beirath.
lichkeiten sein? Werden sie die entsprechende
wenn ich nicht Director des Burgtheaters
Viel wichtiger wäre es, einen Rechtszug
Objectivität in ihr Amt mitbringen? Ein
wäre,
mich mit dem Tenor des Erlasses
den Verwaltungsgerichtshof einzurichten, einen
Verwaltungs= und ein richterlicher Beamten
nicht
blos einverstanden erklären, sondern die
Rechtszug, der heute nicht besteht. Man soll
werden
mit
einem
literarischen
Kundgebung des Ministerpräsidenten insoferne
die Dichtungen, die echten Kunstwerke, dem
Fachmann im Beirathe zusammenfinden. Ich möchte
freudig begrüßen, als die Autorität des Chefs der
freien Ermessen der Polizei entziehen; der Dichter
nicht schwarz sehen, allein ich fürchte, daß die
Regierung Grundsätze unterstützt, die künftig eine
soll Schutz bei den obersten Richtern finden können.
amtlichen Censoren den Fachmann oft — nicht
übertriebene Strenge der Censur ausschließen.
Die Kundgebung des Ministerpräsidenten ent¬
immer - überstimmen werden. Der Landeschef ist
Andere Staatslenker haben in Sachen
an diese Gutachten nicht gebunden, er kann die Auf¬ hält eine Reihe guter Gedanken, es sind aber auch
Theatercensur anders gesprochen. Der österreichische
führung eines Stückes freigeben oder verbieten. Ich Kautschukbestimmungen dar. Es wird sich be¬
Ministerpräsident gibt den Censoren eine Richtschnur im will von jedem Landeschef das Beste denken, aber
zeigen, ob die Theater Ursache haben, sich des Er¬
freisinnigen Geiste.
lasses zu freuen.
selbst der mächtigste Statthalter außer Stande,
Was ich nun auszuführen gedenke, wird mir
den gewissen „Wind" abzuwehren, der sich gegen
vielleicht als reactionär ausgelegt werden. Und doch
die sogenannten gefährlichen Stück erhebt. Dieser
kann ich auf Grund meiner Erfahrungen nicht
„Wind" hat schon häufig Stücke weggeblasen,
umhin, über die Zusammensetzung des
man für sehr zulässig erkannt