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13. Miscellaneous
zwischen Kind und Mann in die Augen. Diese Querfalte geht
motto: „Niemals und ... immer derselbe berichtigt habe. Die
durch alle Schriften Bahrs hindurch, durch die dramatischen, novel¬
Selbstkorrektur gleicht hier der Schlange, die sich in den Schwanz
In Bahr.
listischen und journalistischen: die humoristische Freude am Auf¬
beißt; wer sich am raschesten berichtigt und darum rastlos zu wan¬
decken von Widersprüchen, mitunter im dialektischen Spiel bis an
deln scheint, erkennt am besten das Unwandelbare, das in ihm
en Geburtstag
die Grenze der Sophistik gesteigert, ist die Grundlinie in der
liegt, und so greift der Gegensatz zwischen einstigen Tagen, in denen
Physiognomie Hermann Bahrs; sie entscheidet für den Erfolg
man die Konsequenz des öffentlichen Auftretens nicht hoch genug
red Klaar.
seiner besten Lustspiele und Romane, und sie ist selbst da noch sicht¬
preisen konnte und jeden aufs Haupt zu schlagen meinte, dem
bar, wo der geborene Schalk — in einer Art von Rückschlag gegen
man einen Widerspruch zwischen den Aeußerungen von heute und
n und ein freundliches Gesicht zu
seine muntere Weltbetrachtung — mit philosophischen Systemen
ehegestern nachwies, und der Gegenwart, in der man den Mut
ergeht jetzt besonders häufig an
Fangball spielt oder sich in die Romantik eines neuen Men¬
der lauten Widersprüche bejubelt, gar nicht so tief, wie es den An¬
Literaten, seit durch eine neue
schein hat; dieser Kontrast berührt weit mehr die Mode des Sichentums hinüberfluchtet. Und in diesem Zuge liegt ein Erbteil
prägten Fünfziger in den öffent¬
der Heimat, das eine ergötzliche individuelle Ausprägung ge¬
ausspielens als den Grund des Seins. Zu allen Zeiten hat das
Hermann Bahr, der am 19. Juli
funden, das Bahr redlich erworben hat, um es zu besitzen.
Leben, auch das ehrlichste, für Widersprüche und die Natur, auch die
ommt, wird es nicht leicht haben,
biegsamste, für Konsequenz gesorgt. Und worauf es ankam, war
Der Fünfziger von heute spricht selbst gerne von seiner „Gene¬
umsphotographen zu entsprechen.
niemals der Zwang, sich gleichzubleiben, ein Heroismus, der in
ration", die er mitvertritt und der über Beruf und Bedeutung
he, ist ihm sogar, wie sein Fest¬
Lüge ausarten kann, sondern der Mut, sich in jedem Momente
Oesterreichs erst die Augen aufgegangen sein sollen. Wer indes
i Handl") auf 160 Seiten zu be¬
gleich zu sein, das heißt immer mit Ueberzeugung zu treffen und zu
die Vergangenheit kennt, der weiß, daß jede Generation — auch in
and eine freundliche Miene gehört
irren. Hermann Bahr hat es an diesem Mute niemals fehlen
Oesterreich — einen ähnlichen Anspruch erhoben hat, und ge¬
überaus reichhaltigen literarischen
lassen und, soviel Anteil an seinen in vielen Farben schillernden
schichtlich sind sie nicht nur alle, soweit sie sich lebendig betätigten,
mentbildchen versucht. Allenfalls
Selbstbekenntnissen die Koketterie des Modeschriftstellers auch haben
im Rechte, sondern auch weit inniger miteinander verbunden, als
nesiumlicht, wovon ein reichlicher
mag, doch in allem Wesentlichen ein eigenes, bewegtes, inneres
es in der Regel die jungste von den vorhergehenden gelten lassen
sen des jüngsten Jubilars aufge¬
Leben verdichtet. Das fast schon zu Tode gehetzte Wort „Entwick¬
will. „Unsere Generation“, ein Lieblingswort von Hermann
lung" trifft auf ihn im Ur- und Tiefsinn der Sprache zu: er hat
Bahr, ist wohl auch schon die von gestern oder vorgestern in den
hen und alle Bewegung relativ¬
sich immer munter aufgewickelt und den Kern einer interessanten
Augen der ganz Jungen, und das schadet blutwenig, wenn nur das
tem; deswegen gibt es doch Ziele
Persönlichkeit bloßgelegt, deren Temperament, von den mannig¬
Erbteil, das mitunter dem Namen nach verleugnet wird, im Wesen
findung, mit denen wir für unser
faltigsten Fragen des Lebens berührt, in die lebhaftesten Schwin¬
nicht die Triebkraft verliert. Das pointierte Oesterreichertum
sigen müssen. Gerade der schnellste
gungen gerät und den Problemen, denen es an den Leib rückt, eine
Bahrs, der einst als jugendlicher Nationaldeutscher ein kleines
se geschlossene Figur, an der die
anregende oder doch aufreizende Seite abgewinnt. So sind seine in
Martyrium durchmachte, ist keine neue Erfindung. Grillparzer
scheinen, und so springt auch aus
Form und Wert sehr ungleichartigen Schriften — Dramen, Ro¬
hat es aufs schärfste betont und in den paar Versen, die er sei¬
rs, von der in diesen Tagen nach
mane und Essays in Hülle und Fülle — in der Tat ein Zeitspiegel
nem Horneck, dem im „Ottokar“ auftretenden steirischen Reim¬
de Rede sein wird, ein Typus her¬
geworden, und wenn man auch jenen Enthusiasten nicht bei
chronisten, in den Mund legt, saftiger dargestellt als die Essayisten
zu werten versuchen kann. Es ist
pflichten mag, die diesen Spiegel für einen untrüglichen aus¬
des jungen Wien. Deswegen war es doch Grillparzers größter
eine gerechte Einschätzung, wenn
geben, und sich über Hackel, Mach und österreichische Verhältnisse
Stolz, auf dem Gesamtboden der deutschen Nationalliteratur in
sieht sich doch weit ähnlicher, als
lieber aus den Quellen orientieren wird als aus dem Strom
gemessenem Abstande" nach Schiller, Goethe und Uhland der Erste
geschäftigen Lobredner uns glauben
der Bahrschen Beredsamkeit — so steckt doch in dem Wechsel und
zu sein, und Hermann Bahr wäre gewiß sehr wenig geneigt, um
in der Buntheit der Anschauungen, die da zutage treten, viel scharfe
seines ausgesprochenen Oesterreichertums willen sich in der zu¬
sterreicher, der sich zu einem Mit¬
Beobachtung, viel schlagfertiger Sinn für das Groteske und Ver¬
nächst noch etwas luftigen Walhalla des modernen deutschen
macht hat und der in so geschickten
kehrte, viel rasch kombinierender Witz und keck einschneidende Sa¬
Schrifttums den Platz streitig machen zu lassen. Williger als je
n hemdärmeliger Polterfreudigkeit
tire, die wir nicht missen möchten und die von den Zeitstimmungen
werden die süddeutsch=österreichischen Strömungen in das breite
finden weiß, sagte uns gelegentlich
ein subjektiv gefärbtes Bild von eigentümlichem Reiz bieten.
Bett unserer Nationalliteratur aufgenommen, und weit entfernt,
fassen haben. In den hübsch aus¬
ihnen Verleugnung des Ursprungs zuzumuten, schätzt man sie im
In dem schon erwähnten „Hermann Bahr=Buch" finden sich ein aus
weiterten Epigrammen, die anlä߬
deutschen Norden wegen der Eigenart ihrer Farbe und ihres
der letzten Zeit stammendes Porträt des Schriftstellers und ein
Hermann Bahr=Buch") zusammen¬
Laufes, die noch im großen Strome, in den sie einmünden, er¬
Bildchen, das ihn in seinen frühen Kindertagen darstellt. Der
wie er einmal in jungen Jahren
kennbar sind.
Typus von heute, der ein wenig verwitterte, trotzige Literaten¬
die Allerweltsphrase „Immer der¬
kopf mit den fliegenden Haupt= und Barthaaren, halb Philosoph,
Zwei Strömungen namentlich, die aus solchen Quellsprüngen
endevise „Niemals derselbe einge¬
halb Bohémien, kontrastiert gar seltsam mit dem lachenden Köpf¬
kommen, sind nicht erst seit den Tagen der Bahrschen „Generation
se Renommage durch das Lebens¬
chen des wohlgepflegten Babys, das sich in einem Lehnstuhl wiegt;
zu verfolgen, sondern seit mehr als einem Jahrhundert. Die eine
aber eine Querfalte auf der rechten Backe, die um den geschweif
überglänzt die Stammesart mit dem poetischen Schimmer der ge¬
i Handl, S. Fischer, Berlin.
ten Mund und die runde Nase das Selbstbehagen der Lustigkeit ver¬
hobenen Rede, ohne die ursprüngliche Weichheit der Empfindung,
S. Fischer, Berlin.
breitet, springt doch als stärkstes Kennzeichen der Aehnlichkeit den Reiz lässiger Traumseligkeit, die warme Grundstimmung des
13. Miscellaneous
zwischen Kind und Mann in die Augen. Diese Querfalte geht
motto: „Niemals und ... immer derselbe berichtigt habe. Die
durch alle Schriften Bahrs hindurch, durch die dramatischen, novel¬
Selbstkorrektur gleicht hier der Schlange, die sich in den Schwanz
In Bahr.
listischen und journalistischen: die humoristische Freude am Auf¬
beißt; wer sich am raschesten berichtigt und darum rastlos zu wan¬
decken von Widersprüchen, mitunter im dialektischen Spiel bis an
deln scheint, erkennt am besten das Unwandelbare, das in ihm
en Geburtstag
die Grenze der Sophistik gesteigert, ist die Grundlinie in der
liegt, und so greift der Gegensatz zwischen einstigen Tagen, in denen
Physiognomie Hermann Bahrs; sie entscheidet für den Erfolg
man die Konsequenz des öffentlichen Auftretens nicht hoch genug
red Klaar.
seiner besten Lustspiele und Romane, und sie ist selbst da noch sicht¬
preisen konnte und jeden aufs Haupt zu schlagen meinte, dem
bar, wo der geborene Schalk — in einer Art von Rückschlag gegen
man einen Widerspruch zwischen den Aeußerungen von heute und
n und ein freundliches Gesicht zu
seine muntere Weltbetrachtung — mit philosophischen Systemen
ehegestern nachwies, und der Gegenwart, in der man den Mut
ergeht jetzt besonders häufig an
Fangball spielt oder sich in die Romantik eines neuen Men¬
der lauten Widersprüche bejubelt, gar nicht so tief, wie es den An¬
Literaten, seit durch eine neue
schein hat; dieser Kontrast berührt weit mehr die Mode des Sichentums hinüberfluchtet. Und in diesem Zuge liegt ein Erbteil
prägten Fünfziger in den öffent¬
der Heimat, das eine ergötzliche individuelle Ausprägung ge¬
ausspielens als den Grund des Seins. Zu allen Zeiten hat das
Hermann Bahr, der am 19. Juli
funden, das Bahr redlich erworben hat, um es zu besitzen.
Leben, auch das ehrlichste, für Widersprüche und die Natur, auch die
ommt, wird es nicht leicht haben,
biegsamste, für Konsequenz gesorgt. Und worauf es ankam, war
Der Fünfziger von heute spricht selbst gerne von seiner „Gene¬
umsphotographen zu entsprechen.
niemals der Zwang, sich gleichzubleiben, ein Heroismus, der in
ration", die er mitvertritt und der über Beruf und Bedeutung
he, ist ihm sogar, wie sein Fest¬
Lüge ausarten kann, sondern der Mut, sich in jedem Momente
Oesterreichs erst die Augen aufgegangen sein sollen. Wer indes
i Handl") auf 160 Seiten zu be¬
gleich zu sein, das heißt immer mit Ueberzeugung zu treffen und zu
die Vergangenheit kennt, der weiß, daß jede Generation — auch in
and eine freundliche Miene gehört
irren. Hermann Bahr hat es an diesem Mute niemals fehlen
Oesterreich — einen ähnlichen Anspruch erhoben hat, und ge¬
überaus reichhaltigen literarischen
lassen und, soviel Anteil an seinen in vielen Farben schillernden
schichtlich sind sie nicht nur alle, soweit sie sich lebendig betätigten,
mentbildchen versucht. Allenfalls
Selbstbekenntnissen die Koketterie des Modeschriftstellers auch haben
im Rechte, sondern auch weit inniger miteinander verbunden, als
nesiumlicht, wovon ein reichlicher
mag, doch in allem Wesentlichen ein eigenes, bewegtes, inneres
es in der Regel die jungste von den vorhergehenden gelten lassen
sen des jüngsten Jubilars aufge¬
Leben verdichtet. Das fast schon zu Tode gehetzte Wort „Entwick¬
will. „Unsere Generation“, ein Lieblingswort von Hermann
lung" trifft auf ihn im Ur- und Tiefsinn der Sprache zu: er hat
Bahr, ist wohl auch schon die von gestern oder vorgestern in den
hen und alle Bewegung relativ¬
sich immer munter aufgewickelt und den Kern einer interessanten
Augen der ganz Jungen, und das schadet blutwenig, wenn nur das
tem; deswegen gibt es doch Ziele
Persönlichkeit bloßgelegt, deren Temperament, von den mannig¬
Erbteil, das mitunter dem Namen nach verleugnet wird, im Wesen
findung, mit denen wir für unser
faltigsten Fragen des Lebens berührt, in die lebhaftesten Schwin¬
nicht die Triebkraft verliert. Das pointierte Oesterreichertum
sigen müssen. Gerade der schnellste
gungen gerät und den Problemen, denen es an den Leib rückt, eine
Bahrs, der einst als jugendlicher Nationaldeutscher ein kleines
se geschlossene Figur, an der die
anregende oder doch aufreizende Seite abgewinnt. So sind seine in
Martyrium durchmachte, ist keine neue Erfindung. Grillparzer
scheinen, und so springt auch aus
Form und Wert sehr ungleichartigen Schriften — Dramen, Ro¬
hat es aufs schärfste betont und in den paar Versen, die er sei¬
rs, von der in diesen Tagen nach
mane und Essays in Hülle und Fülle — in der Tat ein Zeitspiegel
nem Horneck, dem im „Ottokar“ auftretenden steirischen Reim¬
de Rede sein wird, ein Typus her¬
geworden, und wenn man auch jenen Enthusiasten nicht bei
chronisten, in den Mund legt, saftiger dargestellt als die Essayisten
zu werten versuchen kann. Es ist
pflichten mag, die diesen Spiegel für einen untrüglichen aus¬
des jungen Wien. Deswegen war es doch Grillparzers größter
eine gerechte Einschätzung, wenn
geben, und sich über Hackel, Mach und österreichische Verhältnisse
Stolz, auf dem Gesamtboden der deutschen Nationalliteratur in
sieht sich doch weit ähnlicher, als
lieber aus den Quellen orientieren wird als aus dem Strom
gemessenem Abstande" nach Schiller, Goethe und Uhland der Erste
geschäftigen Lobredner uns glauben
der Bahrschen Beredsamkeit — so steckt doch in dem Wechsel und
zu sein, und Hermann Bahr wäre gewiß sehr wenig geneigt, um
in der Buntheit der Anschauungen, die da zutage treten, viel scharfe
seines ausgesprochenen Oesterreichertums willen sich in der zu¬
sterreicher, der sich zu einem Mit¬
Beobachtung, viel schlagfertiger Sinn für das Groteske und Ver¬
nächst noch etwas luftigen Walhalla des modernen deutschen
macht hat und der in so geschickten
kehrte, viel rasch kombinierender Witz und keck einschneidende Sa¬
Schrifttums den Platz streitig machen zu lassen. Williger als je
n hemdärmeliger Polterfreudigkeit
tire, die wir nicht missen möchten und die von den Zeitstimmungen
werden die süddeutsch=österreichischen Strömungen in das breite
finden weiß, sagte uns gelegentlich
ein subjektiv gefärbtes Bild von eigentümlichem Reiz bieten.
Bett unserer Nationalliteratur aufgenommen, und weit entfernt,
fassen haben. In den hübsch aus¬
ihnen Verleugnung des Ursprungs zuzumuten, schätzt man sie im
In dem schon erwähnten „Hermann Bahr=Buch" finden sich ein aus
weiterten Epigrammen, die anlä߬
deutschen Norden wegen der Eigenart ihrer Farbe und ihres
der letzten Zeit stammendes Porträt des Schriftstellers und ein
Hermann Bahr=Buch") zusammen¬
Laufes, die noch im großen Strome, in den sie einmünden, er¬
Bildchen, das ihn in seinen frühen Kindertagen darstellt. Der
wie er einmal in jungen Jahren
kennbar sind.
Typus von heute, der ein wenig verwitterte, trotzige Literaten¬
die Allerweltsphrase „Immer der¬
kopf mit den fliegenden Haupt= und Barthaaren, halb Philosoph,
Zwei Strömungen namentlich, die aus solchen Quellsprüngen
endevise „Niemals derselbe einge¬
halb Bohémien, kontrastiert gar seltsam mit dem lachenden Köpf¬
kommen, sind nicht erst seit den Tagen der Bahrschen „Generation
se Renommage durch das Lebens¬
chen des wohlgepflegten Babys, das sich in einem Lehnstuhl wiegt;
zu verfolgen, sondern seit mehr als einem Jahrhundert. Die eine
aber eine Querfalte auf der rechten Backe, die um den geschweif
überglänzt die Stammesart mit dem poetischen Schimmer der ge¬
i Handl, S. Fischer, Berlin.
ten Mund und die runde Nase das Selbstbehagen der Lustigkeit ver¬
hobenen Rede, ohne die ursprüngliche Weichheit der Empfindung,
S. Fischer, Berlin.
breitet, springt doch als stärkstes Kennzeichen der Aehnlichkeit den Reiz lässiger Traumseligkeit, die warme Grundstimmung des