VII, Verschiedenes 13, undatiert, Seite 151


Es wird sodann der Dichter der von der Juden der
Dreieck“, Oskar Friedmann zu zehn Tage
Leo Hirschfeld, aus Augsburg gebürtig, vernommen. „Extrablatt“ erschien, redi¬
Arrests. Felix Adler, welcher im Fiaker durch fün
Derselbe deponirt, Friedmann habe ihm schon Nachmittags in
Der Musiker Kobler erzählt, daß
Stunden alle Kaffeehäuser nach Kraus absuchte
größter Erregung die Fackel“ gezeigt. Abends sei er dann Ueberfalles, um ¼1 Uhr, Julius Bauer
hielt sieben Tage Arrests, die Angeklagten Schrift
beim Mozartplatz mit den Herren zusammengetroffen, bereits kam. Gleich darauf kam Friedmann, Handl un
steller Arthur Kahane (Kohn?) und Willy Hand
nach geschehener That.
mann suchte im Local mit den Augen, bis er
wurden zu je fünfzig Gulden Geldstrafe ver
Dr. Baumwarten: Herr Zeuge, ist es richtig, daß eilte dann auf ihn zu und theilte ihm etwas
urtheilt, der Kaufmann Eugen Stößler und Felix Dör
Sie selbst im Café Glattauer den Dr. Wertheimer auf
garten: So ist es ja ganz gut gegangen; un
mann wurden freigesprochen.
gefordert haben, mitzugehen und den Kraus zu prügeln? Ist
Attentat, um 12 Uhr Café Glattauer, um
Wohl noch nie hat sich in einem Wiener Gerichtssaal
es richtig, daß Sie, als Dr. Wertheimer dies dankend ablehnte, Herrn Bauer.“ Friedmann will jedoch
ein solches Bild gezeigt, wie es gestern der Josefstädter Bezirks
ihm zuriefen: „Feigling“? — Zeuge: Nein, das be¬
beten haben, einen unentstellten Bericht
gerichtssaal bot. Auf der Anklagebank fünf Schriftsteller, der
streite ich
bringen
sattsam bekannten Griensteidl=Clique angehörig. Sämmtlich
Zu dem Buchhändler Stern ist am kritischen Tag¬
Dr. Baumgarten: Warum sind
natürlich Juden. Der einzige Dörmann ist getauft. De¬
Dörmann gekommen, hat ihm die „Fackel“ gezeigt und zur „Wiener Zeitung" gegangen? (Stürm
Privatbetheiligte Carl Kraus, ein Jude, der sich von seinem
ihm mitgetheilt, daß Friedmann beabsichtige, sich an Richter: Ich bitte, ich kann solche Angriff¬
Stammesgenossen Julius Bauer und Hermann Bah
Kraus zu rächen. Auf den Wortlaut könne er sich nicht
Es wird nunmehr Julius Bauer
sagen lassen muß, daß er die ganze Affaire zu einem Riesen¬
erinnern. Weiter deponirt der Zeuge, daß am nächsten Tag
der „Illustrirten Hacke", vorgerufen. Derselbe
geschäfte ausschlachten werde! Man hörte ordentlich den Nei=
eine junge Dame ein Exemplar der „Fackel" gekauft habe
Friedmann nicht gerathen, Kraus zu ohrfeigen
aus diesen Worten heraus, daß Kraus auf diese Weise zu
wobei er, Zeuge, bemerkte, auf Kraus sei Nachts ein nicht in's Café Rahn bestellt. Friedmann wußt
einer Reclame im größten Stile gelangt sei. Wir fürchten, das
Attentat verübt worden. Das Fräulein erwiderte: Das zu finden sei und habe ihn gebeten, eine re
Beispiel, das Kraus, der „gehauteste Schriftsteller Wiens
habe ich schon gestern Nachmittags ge¬
über den Fall zu schreiben. Er (Zeuge habe
auch in anderer Beziehung, gab, wird Nachahmer finden
wußt, daß Kraus geprügelt werden gelehnt, bis die anderen Blätter Berichte haben
Aber das Köstlichste war doch das Publikum. Juden, sowei¬
sollte.
Dr. Baumgarten: Ist Ihnen eri¬
das Auge reichte, das ganze Café Glattauer war erschienen
Es wird nunmehr eine Reihe von Bediensteten de
die süßen Vorstadtmädel“ des Arthur Schnitzler, da
Recension in Ihrem Blatte über das „Dreie
„Café Imperial“ einvernommen. Dieselben geben überein
zwischen dicke Literaturjüdinnen, und als Perte der Wanzen
Bauer: Nein, ich kann das nicht ausw.
stimmend an, daß im Ganzen mit Herrn Friedmann
Dr. Baumgarten: Nun, im „Extrabl
Otto Frischauer, mitten drin dirigirend und
fünf Herren bei der That anwesend waren. Ein Marquan¬
Werk soll der Erstling eines Anfängers sein
überall hineinredend. Wer die sogenannte Wiener Lit¬
deponirt mit voller Bestimmtheit, er habe gehört, wie Herrn
ratur von ihrer abstoßendsten Seite kennen lernen
solche Bühnenkenntnis und Routine, daß man
Schick zugerufen wurde, er möge sich nicht hineinmischen, erfahrenen Autors halten kann. — Bau
wollte, der hätte gestern im Gerichtssaale dazu Gelegenhei¬
Dieser Zeuge, Marqueur Reznik, erklärt, gesehen
Friedmann nicht protegirt, obzwar dies von
gehabt. Und wenn der öffentliche Ankläger in seinem Schluß
zu haben, daß Adler, der dies bis jetzt immer in wurde. Ich habe von Seite des Herrn Kraus
antrage darauf verwies, daß Angeklagte die Schuldbänke
zieren, die berufen sind, über die höchsten Güter der Menschheit Abrede stellte, bei der Schlägerei unmittelbar in der Nähe stand. Angriffe zu erdulden gehabt und habe stillge
Der Zahlkellner Alois Polzenbauer vom „Cas¬
erste Nummer der „Fackel war einzig mein
zu wachen, so nahm sich dies angesichts dieser Versammlung
Glattauer“, Louis genannt, und Zahlmarqueur der sogenannten widmet und ich ward gleichsam an allen Stre
als die bitterste, jemals geübte Ironie aus. Es wäre wahr¬ Dichterecke", bestätigt, daß Adler beauftragt wurde
tirt. Einzig und allein sind diese Angriffe er
haftig traurig um unser Wien bestellt, wenn diese Literaten
Kraus im Fiaker zu suchen, und daß Abends telephonirt Geschäft zu machen. (Diese Worte haben
unsere moderne Entwicklung im geistigen Wien darstellen
wurde, Kraus sei im „Imperial“. Auf die Frage des
rufe im Auditorium zur Folge.) Bauer (lau
sollten. Das waren keine „deutschen Dichter und Schriftsteller
Richters, ob er gehört habe, daß Friedmann von
hole, einzig um ein Geschäft zu machen. (Er¬
das war eine Clique, gegen die immer und
anderen Herren gewarnt wurde, verneint dies der Zeuge
— Auf die Frage Dr. Neu das sagt Bau
immer anzukämpfen wir als unsere Die Verhandlung wird hierauf bis halb 4 Uhr Nachmittags
heiligste Pflicht ansehen werden!
Friedmann nicht in die Litera
vertagt.
Die Verhandlung nahm folgenden Verlauf
führt. (Heiterkeit.) — Staatsanwa
Nach Wiederaufnahme derselben stellt Dr. Baum¬
Stürmische Heiterkeit erweckte wiederholt die Aussage des
mann: Wie können Sie dann zu Fränk
garten folgenden Antrag: Ueber mein Befragen hat heut
einvernommenen Zahlkellners vom ehemaligen Griensteid
Bauer wartet schon auf das Resultat“. — F
Herr Leo Hirschfeld verneint, Dr. Wertheimer Ich habe Fränkel Manches
Heinrich Friedl. Derselbe gibt an, Friedmann sei am Tage des Attentates aufgefordert zu haben, mitzugehen, nicht wahr war, weil ich was
an dem Tage sehr aufgeregt in das Café Glattauer weil Kraus geprügelt wurde und ihm „Feigling" zugerufen kehrt mit Kraus.
gekommen und habe gesagt: Heinrich, ich bin heut
habe, als Wertheimer ablehnte. Herr Dr. Wert¬
sehr aufgeregt. (Stürmische Heiterkeit.) — Richter
Dr. Baumgarten (zu Bauer)
heimer hat sich nun zur Zeugenschaft angeboten und is
Kennen Sie die fünf Herren hier? — Zeuge: Dem Name
Sie später doch den Bericht aufgenommen,
nach nicht, denn die Persönlichkeiten gehören nicht zu meinem hier. — Der staatsanwaltschaftliche Functionär spricht sich da
gegen aus, weil Leo Hirschfeld nicht unter Anklagemann schrieb: — Bauer: Ich bitte, n
Rayon. (Neuerliche Heiterkeit.)
— Richter: Haben Sie
auch einen Bericht über einen Mord.
stehe. Der Richter lehnt auch den Beweisantrag ab.
nichts von einer Verabredung gegen den Herrn Kraus
garten: Ja, aber doch nicht von
Moriz Baumfeld (1), Chefredacteur der „Neuen
gehört, die in Ihrem Kaffeehause abgehalten wurde
(Stürmische Heiterkeit.) Damit war die Vernehn
Zeuge (zögernd): Ja, daß es sich um die „Fackel" handelt
Montagszeitung", wird von Dörmann als Alibizeuge dessen theatralische Haltung während seiner Be¬
geführt. Derselbe sagt in einer Weise aus, daß er mehrmal
hab' ich gewußt; ich sagte auch noch, man sollte es den
komischesten Eindruck machte, beendigt und
laute Heiterkeitsausbrüche hervorruft. Während die An¬
Herrn Kraus sagen. Aber diese fünf Herren waren es nicht
Hermann Bahr einvernommen.
geklagten behaupten, sie hätten Dörmann beim Mozart¬
die sich besprochen haber
Derselbe, 35 Jahre alt, zu Linz geboren, et
Von großer Wichtigkeit ist die Aussage des Schriftstellers Denkmal getroffen, als derselbe von Hietzing kam, worauf e
los Herausgeber der „Zeit", gibt an, er sein
mit ihnen in's Café gegangen sei, behauptet Baumfeld
Fritz Schick, 41 Jahre alt, katholisch, welcher mit Krau
beleidigung mit 25 fl. und wegen ein
Dörmann sei um diese Zeit aus dem „Café Glattaue¬
plauderte, als der Angriff erfolgte. Er sei, so erzählt de
Briefes, an Kraus gerichtet, zu 5 fl. v.
Zeuge, im „Imperial“ gesessen, als Kraus zu ihm kam gekommen.
Richter: Sie sollen, Herr Zeuge, de
Der Jude Felix Salzmann (Schriftstellername Feli¬
und sich zu ihm setzte. Plötzlich schaute Jemand zur Thür
Friedmann gerathen haben, Herrn Kr.
Salten) gibt an, er sei bereits vorbestraft. Er hab¬
herein und Kraus rief: Das ist eine Griensteidl
wort auf seinen Artikel zu prügeln? —
nämlich einmal den heutigen Privatbetheiligten geohrfeig
Gestalt! (Lebhafte Heiterkeit.)
Gegentheil ist wahr. Ich habe, als Fried
Fünfundzwanzig Minuten später öffneten mehrere Herren
(Stürmische Heiterkeit.) Zeuge gibt an, daß Kraus stets verzweifelt zu mir kam, gesagt: Hier gibt
die Thüre und schritten direct auf Kraus zu. Im nächste
einen Schlagring bei sich trage und er Kraus in Hietzing als ein neues Stückschreiben u
gesehen habe, und zwar gegen halb 12 Uhr Nachts
Moment spielte sich die schon mehrmals geschilderte Scene ab
Stück besser zu machen. (Heiterke
Dr. Baumgarten stellt neuerdings den Antrag
Er (Zeuge habe seinen Schlagring gezogen, und Fried
hier persönlich immer auf dem Sta
mann einen Schlag versetzt, doch habe ihn Herr Hand
Dr. Wertheimer einzuvernehmen, da dieser über den ritterlichen Satisfaction. An der war
zurückgehalten mit den Worten: „Mischen Sie sich
Aufenthalt Dörmann's aussagen könne. Der Antrag wird zu denken. Friedmann erwiderte, au
nicht hinein, es geht Sie nichts an." Der Zeug
diesmal zugelassen. Dr. Wertheimer (!) sagt aus, er denkeich nicht (Heiterkeit), ich muß in
habe gegen 12 Uhr Nachts Dörmann und Hirsch
bleibt gegenüber allen Fragen der Vertheidigung bestimm
antwortete ihm: Lieber Friedmann, sei
dabei, daß sich im Moment der That mehr Herren um der
feld in einer Ecke des Kaffeehauses sitzen gesehen. Auf der ein einzigesmal originel
Tisch gruppirt hatten als die Angeklagten behaupten
Straße sagte ihm dann einer derselben: Jetzt wird Leben. Man wird einfach sagen, Sie ha
Staatsanwaltschaftlicher Functionär
Kraus — geprügelt! Zeuge gibt jedoch zu, daß nachgemacht. Bedenken Sie doch auch, welche
Sie sagen also, ohne die Herren Handl, Stößler und möglicherweise Dörmann erst nach ihm in's Kaffeehaus Sie diesem Menschen machen. Friedmann
Kahane waren mindestens drei Personen anwesend? -
gekommen sei. Ueber Befragen des Dr. Baumgarten nicht besänftigen. Ich stellte ihm vor, daß ich
deponirt derselbe, daß Dörmann und Hirschfeld
Zeuge: Ja. — Dr. Neuda (zum Zeugen): Hier sitzen für
zwei Menschen in Wien, von Ehrenfeld
ihm mittheilten, Kraus sei im „Imperial“. Dr. Baum
anständige Menschen, die behaupten, es seien nur zwei Herren
schaft“ und von Kraus angegriffen wu
außer Friedmann dabei gewesen. Sie behaupten mit
garten constatirt, dies sei deshalb wichtig, weil daraus Carrière gemacht habe. Es war umsonst
Friedmann seien es fünf bis sechs gewesen, so wie Sie es hervorgehe, daß Dörmann genau von aller
Dr. Baumgarten: Herr Richter,
Einzelheiten des Attentates unter
in's „Neue Wiener Taglatt" gegeben haben. — Zeuge (ent
eine Frage an Herrn Bahr zu gestatten, w
richtet war.
rüstet): Ich bitte mich nicht zu verdächtigen. I.
Begabung des Oskar Friedmann
habe gar nichts in's „Tagblatt" gegeben. Ich habe nur gesagt
Es wird hierauf noch der Marqueur Werner von
Gerichtshof läßt diese Frage jedoch nicht zu.
und das halte ich aufrecht, es standen fünf bis sechs Personen „Imperial“ vernommen, welcher bestätigt, daß sich Adle
Nunmehr wird Kraus als Privath
bei dem Vorfall um mich herum. — Staatsanwalt, später entfernt habe als Friedmann. Er sagte, ich wußte vernommen. Derselbe ist 25 Jahre alt, mosa
schaftlicher Functionär: Kamen mit Friedmann gar nicht, daß Adler dabei betheiligt war
Böhmen, geboren, antwortet auf die Frage, ob
also mehr Personen herein, als gesagt wird? — Zeuge: Ja
Zeuge Felix Gerson, Oberingenieur, gibt an, er sei der Angeklagten verwandt sei, mit „Glück
mindestens vier. — Staatsanwaltschaftlicher Func¬ erst auf den Schauplatz des Kampfes gekommen, als schon die nein". Er erzählt dann den Hergang
tionär: Ich erbitte mir nunmehr die Beeidigung dieses „Autoren der Scene“ weggegangen waren
falles. Plötzlich sei in das Café, wo er
Zeugen. Der Zeuge wird sodann beeidet.
Dr. Baumgarten verlangte nun die Einver- im Gespräche stand, ein Rudel, eine Rotte vo
Der nächste Zeuge, Versicherungsbeamter Gold- nahme eines Zeugen, welcher darüber aussagen soll, daß Griensteidlherkunft, an der Spitze Friedmann
schmidt (!), der sich zur Zeit der That im Café „Imperial
Friedmann, als er seinerzeit für eine Broschüre über Letztere warf ihn auf's Sopha, gröhlte dabei et
befand, schildert ebenfalls die Scene, kann sich aber nicht die Abschaffung der Censur mit einem Brief von Hermann articulirte Laute aus und mißhandelte ihn. Ehe
erinnern, wie viele Personen eingedrungen seien. Er wollt
Bahr die Druckkosten bezahlen sollte, dem Drucker erklärt Zeit und Ort klar werden konnte, war das R
Polizei holen, wurde aber von Stößler zurückgehalten mit hatte: „Mit mir können Sie gar nichts schwunden. Kraus gab an, vier Tage betti
den Worten: „Friedmann geht selbst zur Polizei, machen, ich bin noch nicht großjährig." (Be¬
zu sein. — Staatsanw.: Sie geben zu,
Lesen Sie die „Fackel“, wenn Sie wissen wollen
wegung!) Dr. Neuda sprach sich dagegen aus, und der daß Sie Herrn Friedmann angegriffen
um was es sich handelt.
Gerichtshof lehnte die Zeugen Pechmüller und Frisch Kraus: Nein, das gebe ich nicht zu. Ich hal
Der Musiker Schönberger hörte an dem kritischen auch ab¬
typischen Fall Kraus die Wiener Theaterverlotte
Tage im „Café Glattauer" zu, wie auf der Seite der
Es wurde nun zur Einvernahme der letzten Serie von luderung gegeißelt. — Dr. Neuda: Ihr Arti¬
„Louis die Angeklagten das Attentat besprachen. Er sagt
Zeugen geschritten.
einer Notiz aus dem Amtsblatt der „Wiener
das ganze Kaffeehaus war in Aufregung. Adler wurde beauf¬
Ein gewisser Fränkl, evangelisch, soll darüber aus sagen da, daß Friedmann wegen gerich