13. Miscellaneous
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Erobererlaten verbeutete, so ha¬
bis herab zum Balder Laternenanzünder. Immer trug er eine
bei den Vorträgen des „kleinen Fischer unterhalten, dessen bewußte Partei, die dem ge¬
absichtliche Ungeniertheit zu Tage. Wildfremde Leute grüßte
Gstanzeln eine Zeitlang bei keiner intimen Unterhaltung Reverenz versagte und so wenig
er mit „Servus" und mit dem „Du war er schnell bei der
fehlen durften.
von der persönlichen Charme des
Hand. Manchmal war diese gemütliche Vertraulichkeit schon mehr
Wie viele politische Schachzüge hat er hinter seiner einfangen zu lassen. Aber vor af
Gemütlichkeit versteckt! Manchen suchte er zu diskreditieren,
peinlich. Wenn er Fremden bei einem Gelage im Rathauskeller
Ernst fremd und fremdartig
zurief: „Besuchen Sie nur alle Lokale, auch die gewissen! ..."
indem er ihn öffentlich allzu freundlich behandelte. Da klopfte Dingen des Lebens zu ringen, un
so wurde seine Gemütlichkeit doch auch schon ungemütlich. Wenn
er einem seiner schärfsten politischen Gegner wohlwollend auf
fassung, die in die politische Pa
die Schulter, nannte ihn mit absichtlicher Vertraulichkeit „Mein
er mitten in einer ernsten Gemeinderatssitzung über Schulärzte
anschauung hineinlegt. Er hat an
Lieber... und fügte unter den Gelächter der Intimen, die
sagte: „Ich bin dagegen, die könnten mir die Madeln zu genau
demokratie schlimm gefrevelt
das Manöver verstanden, liebevoll hinzu: „Sie san ja doch
untersuchen, so lachten doch nur die geschmacklosesten unter
der politischen Kämpfe dieser
den eigene Parteifreunden.
mein Freund!"... Zuweilen wagte er im Stile der Gemüt¬
gegeben, wo kein Arbeiter Lueg
Zu der Zeit, da Lueger seine Gemütlichkeit zu einem
lichkeit noch viel gewagtere Dinge. Er hatte zwar in pathetischen denn mit Ingrimm vernahm. V
Reden oft versichert: „Wenn man mich auseinanderschneidet, wird Verhöhnung der Wiener Arbeiter
bewußten System ausgearbeitet hatte, ist er eigentlich am
man finden, daß ich schwarz=gelb bin durch und durch." Das
wenigsten gemütlich gewesen. Er ist zeitlebens, so glatt seine
der Wiener Wahlreform bis
hat ihn aber noch vor zwei Jahren nicht gehindert, bei
Oberfläche schien, ein giftiger Hasser gewesen. Wie unerbittlich,
gehässigen Wort, das er ihr im
einem Bankett, wo Norddeutsche ihren Wilhelm hochleben
bis ins Grab, hat er den Bürgermeister Prix verfolgt und ver¬
schien sein Sinnen auf nichts
ließen, einen Kaisertoast mit der harmlos=gemütlichen Bemerkung
dächtigt! Wie unbarmherzig hat er später die Macht seine
auf unsere Vernichtung. Auf
zu schmücken, daß unser Kaiser nicht so viel redet wie der
Amtes benützt, um einzelne Sozialdemokraten und Deutsch¬
uns als Feind gegenüber, un
deutsche: „Aber man muß halt zufrieden sein mit dem, was
nationale wirtschaftlich zu schädigen! Damals hat er, vor dem
rechen auf, wenn wir der
man hat.
Ansturm der Arbeiter zitternd, die Sozialdemokraten Diebs¬
gedenken. Aber brauchen die Wie
In den letzten Jahren seines Lebens hat Lueger nach eine
gesindel, Buben, Mörder genannt. Das alles, als er sich schon
ihm deshalb gram zu sein?
versöhnenden Unparteilichkeit wirklich gestrebt. Daß er zum
auf dem errungenen Bürgermeistersitz ausruhen konnte, als der
Nutzen für uns, daß wir den stär
Beispiel der Witwe unseres „Habakuk“, dessen treuer Leser er
hitzigste Durst nach Macht eigentlich schon gelöscht war - in
zeitig fanden, daß wir in diese
gewesen ist, in so warmen Worten kondolierte, war eine Ringen unsere Kraft stählen konnt
seiner gemütlichsten Epoche
liebenswürdige Regung. Auch im Gemeinderat hat sich Lueger
Was hat er nicht alles hinter seiner Gemütlichkeit ver¬
haftigkeit unserer Bewegung an kei¬
niemals so objektiv benommen wie in der letzten Wirkungszeit, und bewiesen haben. Lueger ha
steckt! Vor allem einen schrecklich niedrigen Geschmack, einen
der
die ihm beschieden war. Es hat ihm sichtlich wohlgetan, daß er
Nun ist er tot,
bei einem Akademiker ganz ungewöhnlichen Mangel an Bildung.
durch seine anständige Haltung im Kampfe um die Wahlreform
gewesen, und der Leib ist
So unermüdlich Lueger als Agitator, als Advokat, als Organi¬
auch uns Sozialdemokraten sanfter gestimmt hatte. Die Friedens¬
es von Lebenskraft, gesprüht
sator, als Verwaltungsmensch gewesen ist, so wenig Zeit ließ er
stimmung eines Menschen, der Abschied nimmt, lag schon über ihm
Menschen wird die Geschichte
sich für „zwecklose Beschäftigungen. Nie hat man von ihm gehört
Kam ein sozialdemokratischer Gemeinderat ins Rathaus, um sich
historische Entwicklung verläuft
nie hat man in einer seiner Reden wahrgenommen, daß
wandelbaren Gesetzen, und ih
er seit seiner Studienzeit ein Buch gelesen hätte. Nie hat nach dem Befinden des Bürgermeisters zu erkundigen, so über¬
fiel den kranken Mann immer eine unglaublich weiche und
zuschreiben ist menschlicher Kraft
man ihn in einem ernsten Konzert, nie in einer Ausstellung
dankbare Stimmung. Jetzt, wo's zu spät war, hätte er vielleicht dennoch behauptet sich im Fluß
(außer am Eröffnungstag im Frack) gesehen. Das alles war ihm
wieder ganz von vorn anfangen wollen. Oft hat er sich ein
volle Persönlichkeit, und was
zeitlebens zu sad". Die Stadt Wien veranstaltete eine Schiller¬
„Kind des Volkes" genannt und den protzigen Dünkel der
persönliche Tatkraft vermögen,
Feier, ihr Bürgermeister konnte dabei kein Wort reden. Als ihn
Emporgestiegenen hat er wirklich nie gekannt. Daß er nicht
lauf des toten Bürgermeisters
ein Journalist einmal fragte, wie ihm die moderne Dichtung
mitten im grimmen Streit mit dem Kern des Volkes scheiden
wägenden Sinn. Als einer,
gefalle, erwiderte er ihm: „Lassen S' mich aus, mir gefallt der
dieser Stadt tiefe Furchen
mußte, das hat seine letzten Tage freundlich erhellt.
Schnitzler net, mir gallt der Costa net!" Das war kein Witz, er
haften bleiben im Gedächtnis der
st. gr.
at da keine Unterschiede machen können. Am besten hat er sich
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Erobererlaten verbeutete, so ha¬
bis herab zum Balder Laternenanzünder. Immer trug er eine
bei den Vorträgen des „kleinen Fischer unterhalten, dessen bewußte Partei, die dem ge¬
absichtliche Ungeniertheit zu Tage. Wildfremde Leute grüßte
Gstanzeln eine Zeitlang bei keiner intimen Unterhaltung Reverenz versagte und so wenig
er mit „Servus" und mit dem „Du war er schnell bei der
fehlen durften.
von der persönlichen Charme des
Hand. Manchmal war diese gemütliche Vertraulichkeit schon mehr
Wie viele politische Schachzüge hat er hinter seiner einfangen zu lassen. Aber vor af
Gemütlichkeit versteckt! Manchen suchte er zu diskreditieren,
peinlich. Wenn er Fremden bei einem Gelage im Rathauskeller
Ernst fremd und fremdartig
zurief: „Besuchen Sie nur alle Lokale, auch die gewissen! ..."
indem er ihn öffentlich allzu freundlich behandelte. Da klopfte Dingen des Lebens zu ringen, un
so wurde seine Gemütlichkeit doch auch schon ungemütlich. Wenn
er einem seiner schärfsten politischen Gegner wohlwollend auf
fassung, die in die politische Pa
die Schulter, nannte ihn mit absichtlicher Vertraulichkeit „Mein
er mitten in einer ernsten Gemeinderatssitzung über Schulärzte
anschauung hineinlegt. Er hat an
Lieber... und fügte unter den Gelächter der Intimen, die
sagte: „Ich bin dagegen, die könnten mir die Madeln zu genau
demokratie schlimm gefrevelt
das Manöver verstanden, liebevoll hinzu: „Sie san ja doch
untersuchen, so lachten doch nur die geschmacklosesten unter
der politischen Kämpfe dieser
den eigene Parteifreunden.
mein Freund!"... Zuweilen wagte er im Stile der Gemüt¬
gegeben, wo kein Arbeiter Lueg
Zu der Zeit, da Lueger seine Gemütlichkeit zu einem
lichkeit noch viel gewagtere Dinge. Er hatte zwar in pathetischen denn mit Ingrimm vernahm. V
Reden oft versichert: „Wenn man mich auseinanderschneidet, wird Verhöhnung der Wiener Arbeiter
bewußten System ausgearbeitet hatte, ist er eigentlich am
man finden, daß ich schwarz=gelb bin durch und durch." Das
wenigsten gemütlich gewesen. Er ist zeitlebens, so glatt seine
der Wiener Wahlreform bis
hat ihn aber noch vor zwei Jahren nicht gehindert, bei
Oberfläche schien, ein giftiger Hasser gewesen. Wie unerbittlich,
gehässigen Wort, das er ihr im
einem Bankett, wo Norddeutsche ihren Wilhelm hochleben
bis ins Grab, hat er den Bürgermeister Prix verfolgt und ver¬
schien sein Sinnen auf nichts
ließen, einen Kaisertoast mit der harmlos=gemütlichen Bemerkung
dächtigt! Wie unbarmherzig hat er später die Macht seine
auf unsere Vernichtung. Auf
zu schmücken, daß unser Kaiser nicht so viel redet wie der
Amtes benützt, um einzelne Sozialdemokraten und Deutsch¬
uns als Feind gegenüber, un
deutsche: „Aber man muß halt zufrieden sein mit dem, was
nationale wirtschaftlich zu schädigen! Damals hat er, vor dem
rechen auf, wenn wir der
man hat.
Ansturm der Arbeiter zitternd, die Sozialdemokraten Diebs¬
gedenken. Aber brauchen die Wie
In den letzten Jahren seines Lebens hat Lueger nach eine
gesindel, Buben, Mörder genannt. Das alles, als er sich schon
ihm deshalb gram zu sein?
versöhnenden Unparteilichkeit wirklich gestrebt. Daß er zum
auf dem errungenen Bürgermeistersitz ausruhen konnte, als der
Nutzen für uns, daß wir den stär
Beispiel der Witwe unseres „Habakuk“, dessen treuer Leser er
hitzigste Durst nach Macht eigentlich schon gelöscht war - in
zeitig fanden, daß wir in diese
gewesen ist, in so warmen Worten kondolierte, war eine Ringen unsere Kraft stählen konnt
seiner gemütlichsten Epoche
liebenswürdige Regung. Auch im Gemeinderat hat sich Lueger
Was hat er nicht alles hinter seiner Gemütlichkeit ver¬
haftigkeit unserer Bewegung an kei¬
niemals so objektiv benommen wie in der letzten Wirkungszeit, und bewiesen haben. Lueger ha
steckt! Vor allem einen schrecklich niedrigen Geschmack, einen
der
die ihm beschieden war. Es hat ihm sichtlich wohlgetan, daß er
Nun ist er tot,
bei einem Akademiker ganz ungewöhnlichen Mangel an Bildung.
durch seine anständige Haltung im Kampfe um die Wahlreform
gewesen, und der Leib ist
So unermüdlich Lueger als Agitator, als Advokat, als Organi¬
auch uns Sozialdemokraten sanfter gestimmt hatte. Die Friedens¬
es von Lebenskraft, gesprüht
sator, als Verwaltungsmensch gewesen ist, so wenig Zeit ließ er
stimmung eines Menschen, der Abschied nimmt, lag schon über ihm
Menschen wird die Geschichte
sich für „zwecklose Beschäftigungen. Nie hat man von ihm gehört
Kam ein sozialdemokratischer Gemeinderat ins Rathaus, um sich
historische Entwicklung verläuft
nie hat man in einer seiner Reden wahrgenommen, daß
wandelbaren Gesetzen, und ih
er seit seiner Studienzeit ein Buch gelesen hätte. Nie hat nach dem Befinden des Bürgermeisters zu erkundigen, so über¬
fiel den kranken Mann immer eine unglaublich weiche und
zuschreiben ist menschlicher Kraft
man ihn in einem ernsten Konzert, nie in einer Ausstellung
dankbare Stimmung. Jetzt, wo's zu spät war, hätte er vielleicht dennoch behauptet sich im Fluß
(außer am Eröffnungstag im Frack) gesehen. Das alles war ihm
wieder ganz von vorn anfangen wollen. Oft hat er sich ein
volle Persönlichkeit, und was
zeitlebens zu sad". Die Stadt Wien veranstaltete eine Schiller¬
„Kind des Volkes" genannt und den protzigen Dünkel der
persönliche Tatkraft vermögen,
Feier, ihr Bürgermeister konnte dabei kein Wort reden. Als ihn
Emporgestiegenen hat er wirklich nie gekannt. Daß er nicht
lauf des toten Bürgermeisters
ein Journalist einmal fragte, wie ihm die moderne Dichtung
mitten im grimmen Streit mit dem Kern des Volkes scheiden
wägenden Sinn. Als einer,
gefalle, erwiderte er ihm: „Lassen S' mich aus, mir gefallt der
dieser Stadt tiefe Furchen
mußte, das hat seine letzten Tage freundlich erhellt.
Schnitzler net, mir gallt der Costa net!" Das war kein Witz, er
haften bleiben im Gedächtnis der
st. gr.
at da keine Unterschiede machen können. Am besten hat er sich