VII, Verschiedenes 13, undatiert, Seite 184


Talmitalente von der Konkordia, allein das gegnerische Lager
Von Fehde,
ist zu mächtig, als daß der einzelne dagegen ankämpfen
von schöner
X 44 könnte. Wolfgang Madera schildert in seinem Schauspiel
13. Miscellaneous
von holder
„Helden der Feder“ zutreffend und packend die Wiener Presse¬
Theater= und Literaturverhältnisse, die Voreingenommenheit
singt Oelwein in sein
der Kritik und die lügenhafte Berichterstattung, wenn es gilt, nicht nachempfinden
den unliebsamen Neuling tot zu machen. Es ist außerordent¬ dichtes:
Träumend
lich bedauerlich unter diesen Verhältnissen, daß es nicht mög¬
lich war, das Kaiser-Jubiläums=Stadttheater als nationales
Flut und
Schauspielhaus zu erhalten. Die Schuld hieran trifft zunächst
Und in di
dessen ersten Direktor, Herrn Adam Müller=Guttenbrun, der
die gute,
schon vorher mit der Leitung des Raimund=Theaters einen
Wie ist
Mißerfolg erlitten hatte, dann aber auch gewisse Wiener Ver¬
hältnisse, welche in der Eigenart der Wiener Bevölkerung be¬ Oder wenn uns der
gründet sind. Für das ernste Drama ist nämlich in Wien
Geduld, es kom¬
nach wie vor die große Ueberlieferung des alten Burgtheaters
der deutschen
maßgebend, und wenn auch die künstlerischen Darbietungen in
dem neuen Prunkbau Semper-Hasenauers lange nicht mehr
Zudem ist Oel¬
auf der einstigen klassischen Höhe stehen, so geht der Wiener pellist, wovon besond
eben doch mit Vorliebe ins Burgtheater, wenn er für seine
schienenen vier Erzäh
klassische Bildung etwas tun will oder das Bedürfnis nach
wußten Klingel z. B.
einem literarischen Theaterabend empfindet.
Märtyrerin", der
Trotzdem sich leider auch in den Werken des jungen
husiasmus auf dem
Deutsch=Oesterreich unverkennbar ein Stillstand in der Fort¬
Im Gegensatz
entwicklung des deutschen Dramas zeigt, haben wir in letzter
Männlichkeit schweben
Zeit doch einige recht bedeutende Neuerscheinungen zu ver¬
Christel eine leise We
zeichnen, die es wohl verdienten, daß sich die reichsdeutsche
Dichter als echten Oe
Bühne ihrer annähme. Vor allem Wolfgang Maderas fünf¬
eine geradezu ergreife
aktige Tragödie „Ahasver“, in welcher das Problem des ewi¬
gen Juden so tief und erschöpfend behandelt wird, wie dies von sonniger Heiterk
azu ist er ein Meiste
vor ihm wohl noch keinem Dichter gelungen ist, der diesen
same Lust, O schei¬
beliebten, aber überaus spröden Stoff aufgegriffen hat. Ge¬
Stimmungszauber, de
danklich baut sich die Dichtung Maderas auf Schopenhauer¬
gleichen ist, an dem u
Philosophie auf, und Ahasver erscheint als der Typus der
fröstelt.
Menschheit aufgefaßt, welche, „inbrünstig nach Erlösung lech¬
Wenn ich nun
zend“, die Lebensbejahung verflucht und doch in ihr das Heil
sucht! Als Jesus unter der schweren Last des Kreuzes den deutendsten zeitgenö
Mundart, dessen präch
letzten Leidensweg nach Golgatha hinaufkeucht, da muß er
Empfinden aus jeder
am Hause Ahasvers vorbei. Dieser sitzt eben vor seinem
den Lyriker Franz Kar
Heim auf der Schwelle und träumt von den Wonnen der
„Das heimliche Läute
Brautnacht mit dem ihm am Tage vorher angetrauten hei߬
steller Josef Puhm, so
geliebten Weibe, als sich der Heiland blutüberströmt mit der
flehenden Bitte an ihn wendet: „O rasten — dort — nur aufstrebende verheißun
haben, die sich sicher au
einen Augenblick.“ Aber Ahasver, ein „mitleidloser Sklave
ihr gebührende Beacht
des Genusses", weist den Kreuzträger mit harten Worten zu¬
ist in diesen Blättern
rück. Da zuckt ein Blitzstrahl hernieder, tötet das Weib Ahas¬
Deutsch=österreichische
vers, und von den Lippen des Nazareners ertönt der schauer¬
liche Fluch, der den mitleidlosen Juden zum ewigen irdischen
Schriftsteller der Gegenwart.
Leben verdammt:
Nie sei der Seele Frieden Dir gegönnt,
von Josef Stolzing.
die Ruhe nie, die Edle köstlich lohnt,
nie sei Befreiung, nie Dir Trost zuteil,
Wenn man in Deutschland von den zeitgenössischen
bis lautres Mitleid einstens Dich erlöst
deutsch=österreichischen Schriftstellern liest oder hört
und selbstgewollte Reinheit Dich befreit!
kann man selbst bei zünftigen Männern der Feder
die Beobachtung machen, daß sie nur eine äußerst mangel¬
Dieser Fluch jagt Ahasver über die ganze Erde, und als
hafte Kenntnis von ihnen besitzen. So läßt, um nur
er in einem kleinen deutschen Städtchen — die Tragödie spielt
ein Beispiel anzuführen, die in der Reclamschen Universal= während des dreißigjährigen Krieges — das reine, keusche
bibliothek erschienene Blütenlese „Moderne Lyrik“, unter Weib in Gestalt eines Bürgermädchens findet, welches ihn
den 170 Dichtern, von denen Gedichte abgedruckt sind, durch die Liebe des Mitleidens in reiner platonischer Ehe er¬
auch 30 Oesterreicher zu Worte kommen, aber neben Richard
lösen will, da bäumt sich in Ahasver die Lebensbejahung gegen
Schaukal werden als bedeutende Lyriker folgende Namen be¬
solche Askese auf, und mit der Schwester der Gattin, der sinn¬
sonders angeführt: Josef Adolf Bondy, Camille Hofmann,
lich veranlagten Eva, bricht er die Ehe. Von neuem erfüllt
Paul Leppin, Stefan Zweig, Adolf Donath, Emil Faktor, sich der Fluch des Heilandes an ihm, von neuem peitscht ihn
Paul Wertheimer, Hugo von Hofmannsthal, Felix Dörmann die Lebensgier von Ort zu Ort, von Genuß zu Genuß, aber
und Hugo Salus. Fast alle diese „großen“ Dichter gehören nicht mehr die Erscheinung des Kreuzträgers scheucht ihm jetzt
der semitischen Rasse an, vielleicht mit Ausnahme Schaukals
den Schlaf vom Lager, sondern das blutige Haupt seines
Natürlich kann man aus dieser einseitigen Darstellung bezw. opferfreudigen Weibes, das er in den Abgrund hinunterstieß,
absichtlichen Verdrehung der Wahrheit wohl kaum der alt, um ungehindert seiner sinnlichen Lust bei Eva nachgehen zu
bewährten Leipziger Verlags=Buchhandlung einen Vorwurf können. — Mag auch der künstlerische Aufbau dieses Werkes
machen, vielmehr muß einzig und allein Herrn Benzmann die hin und wieder einige Lücken aufweisen, so erkennt man doch,
Schuld hierfür gegeben werden, dem seine Zugehörigkeit zu daß ein hochbegabter Dichter hierin die höchsten und letzten
dem bereits sattsam gekennzeichneten Literaten=Klingel den Probleme der Menschheit dramatisch zu gestalten sucht. In
Weg vorschreibt bei seiner Tätigkeit. Zufällig bekam ich eigenartiger, gedankenreicher Sprache werden da Ewigkeits¬
dieser Tage auch die erste Nummer einer Zeitschrift perspektiven eröffnet, und turmhoch steht dieser „Ahasver"
zu Gesicht, welche von Dr. Glossy und Alfred Freiherrn von über dem theatralischen Unfug den z. B. Schnitzler und Hof¬
Berger, dem bei Kaiser Wilhelm in hoher Gunst stehenden
mannsthal treiben. Auch ein bedeutender Lyriker ist Madera,
Direktor des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg, seit und Gedichte wie „Karfreitag“, „Vor dem Gewitter", „Herbst¬
anderthalb Jahren herausgegeben wird. Die „Oesterreichische abend im Kloster" sind wahre Perlen neudeutscher Lyrik.
Rundschau", so betitelt sie sich, erwähnt gleichfalls nur Namen Alois Aegid Spitzner hat mit dem Renaissance=Spiel „Das
aus der bewußten Gattung von Schriftstellern. Ein Aufsatz Lächeln der Tessa“ gleichfalls eine schöne Talentprobe abge¬
„Lyrik“ von Dr. Übell hat folgende Einleitung: „In der Ge¬ legt, die noch Bedeutendes für die Zukunft erwarten läßt,
schichte der deutschen Lyrik in Oesterreich wird es einmal
Das Stück wurde bei einer literarischen Mittagsvorstellung im