VII, Verschiedenes 13, undatiert, Seite 192

13.
Miscellaneous
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Kunst aus Erotik erwachse, wird hier am klarsten. Ja,
Reclameblüthe stand, ist heute fast völlig vergessen, ohne
der Jndianergeschichte, beherrsch
allerdings, der Jüngling Shakespeare schuf einmal das
daß seine Gaben erhebliches Nachlassen erkennen ließen, wie Keiner. Mit markiger
hinreißendste und umfassendste Liebesdrama aller Zeite.
Eine ursprünglich echte, obschon innerlich gebrochene,
ro, inden Jambenskelette tranzen
worin er übrigens bezeichnenderweise sich keineswegs auf
Dichternatur spätromantischer Prägung, hat er seither
will in den Bann seines ung
Verklärung der Erotik beschränkte, sondern gleichzeitig
äußerliche Effectmache seinen perversen ausgeklügelten Un¬
Specte vorüber, reibt man
ein wunderbar seines Milienbild italienischer Renaissance
erquicklichkeiten gemischt. Etwas wirklich Originales fehlt
über den Spuk. Alles eitel Blend
bot. Auch der reife Mann hat das gewaltigste Ehestands¬
seiner absonderlich bizarren Erscheinung, die nur als
fehlen in diesen Costümsticken,
drama geschaffen, wobei wiederum auch andere als erotische
Copie einstiger romantischer Genialitätshascherei er¬
linger aus der Modergruft bese
Motive, nämlich die Racenfrage und die Großmannssucht
scheint. Immerhin müssen sein krampfhaft brennendes
Phrasenpatriotismus mit Ho
der Renaissance in Othello und Jago behandelt werden.
Haschen nach grellen Seelenconflicten und seine manirirt appellien, die leisesten Ansätze
Doch wer würde nicht die großen Welttragödien des ältern
einseitige Productivität anerkannt werden. Der „gesunde
sich ei nal charakterisiren will,
Shakespeare höher stellen: Lear, Hamlet, Macheth,
Wildenbruch ist für den Tieferblickenden eine vielleich
oder ist schöne Berlinismen,
Coriolan, in denen die Liebe gar keine oder eine ganz
noch peinliche Gestalt. Während bei Voß doch wirklich
ein äußerliches Schemen wie zu
untergeordnete Rolle spielt (Ophelia hat für Hamlet nicht
ein meres Leiden und Wühlen und Suchen erkennbar,
rich, wohl dem geistig am weni¬
entfernt die Bedeutung wie Gretchen für Faust), wie es
scheint bei Wildenbruch, dem geborenen Theatraliker, alles
zeugniß des großen Bühnenmeist
der wahren Wirklichkeit des Lebens entspricht! Und wie
aufs Aeußer che gerichtet. Nur sein erster Novellenband
Energie in de ersten beiden A
diese, so gehen alle großen Dichtwerke von Aeschylos
entwickelte ei gewisse Vollblütigkeit, obschon diese Sache
schlecht" desgleichen, im „Mario
bis Hebbel, nicht minder das Schaffen eines Michel An¬
heute recht tiquirt wirken. Seine tönenden Gedichte
tragischen Conflict, den er je
gelo, Beethoven, Richard Wagner, durchaus nur vom
kamen nie
Rhetorik, seine Romane nie über leben¬
Tieck — ergriff, versagt der ent¬
Gedanklichen aus, hocherhaben über das l'art pour l'art, die
digen Erzählungsvortrag hinaus. Jede Spur von Tiefe
denn nichts ist wirklich durchda
sinnliche Schönheitspose oder sogenannte tendenzlose Ob¬
und Eigenart mangelt, nur die Selbstüberhebung
sondern alles nur bühnisch äußerli
jectivität der Afterkünstler, der Amusement= und Luxus¬
eiteln Menschen hat sich im Roman „Schwesterseele" ein
wie Voß könnten aus der wahren
trabanten, der Literatur für Literaten, die in der Form
eigenartiges Denkmal gesetzt. Ist er doch eine so feier¬
Haar verschwinden, und nicht ein
das Sein zu erfassen meint, Schale ohne Kern.
lich posirende Natur, daß er die Rundfrage eines Witz¬
gar Neues ginge damit verloren.
Und wie verhält sich nun hiezu das Leben der letzten
blattes an dramatische Autoren ganz ernst nahm und
der Literatur haben sie so wenig
vierzig Jahre deutscher Literatur? Die letzten zwanzig
großartig die Frage „Wen halten Sie nächst Ihnen für
Notoritäten der Goetheisirenden
hat die Epoche 1880 bis 1885 noch sehr zaghaft eingeleitet,
den Bedeutendsten“ beantwortete: „Björnson"! Ganz un¬
posirenden Epigonenkunst.
als das jüngere, 1870 miterlebende Geschlecht sich zu reif erscheint die mehrfach aufgetauchte Behauptung solcher,
Da merkte man schon eher
rühren begann.
die es mit ihm nicht verderben wollten: seine berühmten
Versuchen des heute verschollene
Außer den bekannten Aelteren, außer Lindau, Lubli¬
Stücke taugten ja nichts, wohl aber seine Novellen. Nein,
Hans Herrig, dessen schwache lyr
ner, Blumenthal als Bühnenherrschern, trat damals
nur durch seine Theaterproducte besitzt er überhaupt eine
dramatischen Kraft entbehrte un
Richard Voß hervor, bald verdrängt von Wildenbruch
literarische Physiognomie, sie allein bezeichnen die Art
geblicher Dramatiker nur Melodra
der von 1884 ab auf der Tagesordnung stehen sollte und
seines Könnens. Ja, er „kann" ungeheuer viel, vom
aber wenigstens vornehme Ziele na
sich mehr oder minder in seiner überragenden Stellung
Standpunkt eines Bühnenhandwerkers aus gesehen. Als
vorschwebten, ein schwächliches S
äußerlich gehalten hat. Natürlich dürfte die Literatur¬
bloßer Theatraliker übertrifft er eigentlich selbst Schiller,
Symbolistik. Eine sonstige Wendt
geschichte der Nachwelt ein wesentlich anderes Urtheil
Das, was der geistige Pöbel „dramatisch“ nennt, eine
sich eigentlich nur in Oesterreich
schöpfen. Richard Voß, der eine Zeitlang in üppigster Art Echo aus der Kinderstube, die „Handlung" im Stil
scheidenen. Die ganze Epoche 1