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23.0.42
Neue Freie Presse, les
Pablatsche der Prominenten.
Um sieben Uhr ist Beginn. Ueberall sitzen Stammgäste,
Es gibt schon noch Kunstbegeisterte. Nicht immer im Burg¬
draußen bei der Kasse wird noch um die letzten „Entrees" gerauft.
theater, aber totsicher am Samstag und Sonntag in den „Auen
Würdevoll wandert der Herr Chef zwischen den Tischen herum.
wie Alexander Girardi die Gegend rund ums selige Lustspieltheater
Seinem künstlerisch geschulten Argusange entgeht nichts. „Steffi
seines Freundes Jarno zu nennen liebte. Diesen von der Zeiten
sagt er mit seinem klangvollsten Bariton, „die Herrschaften da
Mißgunst dahingerafften Musentempel im Schatten des Riesen¬
kriegen noch ein Bier!“ Die Herrschaften bedanken sich ge¬
rades hat längst schon der Tonfilm geholt. Aber dafür floriert
schmeichelt für die Aufmerksamkeit. Es sind kunstbegeisterte junge
ganz in der Nähe das kleine „Volksvarieté“, dessen Konturen
Herren aus der Brigittenau, die sich, solange die Stars nicht auf¬
man schattenhaft in einer der frühesten Jugendnovellen Arthur
treten, teils ihrem Faschierten mit Krautsalat und teils der mit¬
Schnitzlers zu erkennen glaubt. Der große Puppenspieler ist
gebrachten „Braut" widmen. Der Direktor läßt sich vor Beginn
hier zwar nur ein kleiner Direktor, aber ein Wiener Original.
der Vorstellung nicht nehmen, seine Gäste mit einer gemütlichen
Mit berechtigten Stolz drückt er dem Besucher eine Programm¬
und würdevollen, mit ungeheurem Applaus bedankten Ansprach¬
karte seines seit drei Generationen noch nie vom Pleitegeier
besuchten Kunstinstituts in die Hand. Sie ist vielleicht ein bißchen
zu begrüßen.
indiskret, aber es sind jedenfalls ganz interessante Dinge, die sie
Und jetzt erscheinen die Stars. Als erste Nummer eine
ausplaudert. Hier sind nämlich sämtliche Stars abgebildet, die es
„Charaktertänzerin“, die etros komplizierte und im Prater für
nicht verschmäht haben, sich ihre Gage einmal auch im Prater
gewöhnlich nicht übliche Seelenzustände tanzt. „Fredi, waßt du,
auszahlen zu lassen. Auf der kleinen Bühne hat zum Beispiel
was die will?“ fragt eine Schöne ihren Kavalier, der wie rasend
Rudolf Schildkraut, bevor er der große Tragöde wurde, ein
klatscht. Und Fredi, der Kavalier aus Neulerchenfeld mit den
Parkett von nachtmahlenden Zuschauern mit einer jeden
modernen, schief nach vorn rasierten Koteleits, sagt schlicht ein
Abend stürmisch beklatschten „urkomischen Soloszene" begeistert.
großes, das Geheimnis jeder Kunstübung bis auf den Grund ent¬
Glawatsch und Tautenhayn sangen in ihrer Jugend
hüllendes Wort: „Was sie will? Ihr Nachtmahl wüll sie sich
hier ihre ersten Couplets. Und auch Raoul Aslan scheint
verdienen!“ das Programm geht weiter, Solonummern, Duo¬
es keinen Stein aus seiner Krone gekostet zu haben, als
szenen, dann ein diskret gepfefferter Schwank, in dem ein an¬
er den Gästen des kleinen Varietes mit Burgtheatertönen den
stelliges Dienstmädchen zu weit mehr Vätern kommt, als in der
„Gott und die Bajadere hinlegte und zum Dank für solid ge¬
Regel für ein einziges Baby benötigt werden. Am animiertesten
lieferten Applaus ein französisches Chanson zugab. Auch Ralph
wird die Stimmung, wenn der Hauskomiker auftritt; aber es
Benatzky und Josma Selim kehrten hier ein, nicht bloß zum
gibt noch einen Zauberkünstler, dann erscheint der Chef noch
Nachtmahl. Maikl sang und Klitsch deklamierte, und eine
einmal auf der Bühne und teilt mit, daß es zu seinen vom eben¬
schöne Herone von der Bellaria trat am gleichen Abend wie Tur
falls künstlerisch tätig gewesenen Vater und Großvater über¬
Wiener auf. An dieser Stätte erblickten, wie der Direktor erzählt,
nommenen Gepflogenheiten gehört, dem geehrten Publikum nach
eben nicht nur einige der bekannten Wiener Couplets das Licht
Schluß der Vorstellung aufs herzlichste eine gute Nacht zu
der Welt, sondern zwischen zwei Soloszenen der Hauskomiker ist
wünschen. „Nachdem es mir, schließt er, „leider nicht vergönnt
auch schon ein Einakter von Anton Wilogans gespielt worden.
ist, jedem einzelnen die Hand zu drücken, wünsche ich Ihnen zum
Und sicherlich bereitet es sowohl der Kartonsch wie
Beschluß einen wunderschönen Traum und mir, daß wir uns am
Marischka noch immer eine gewisse künstlerische Genug-
nächsten Sonntag bei vollständig neuem, geändertem, sensatio¬
tuung, wenn sie sich daran erinnern, daß auch sie einmal Ehren¬
H. P.
nellem Programm gesund wiederschen!“
gäste auf dieser Pablatsche der Prominenten waren.
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Neue Freie Presse, les
Pablatsche der Prominenten.
Um sieben Uhr ist Beginn. Ueberall sitzen Stammgäste,
Es gibt schon noch Kunstbegeisterte. Nicht immer im Burg¬
draußen bei der Kasse wird noch um die letzten „Entrees" gerauft.
theater, aber totsicher am Samstag und Sonntag in den „Auen
Würdevoll wandert der Herr Chef zwischen den Tischen herum.
wie Alexander Girardi die Gegend rund ums selige Lustspieltheater
Seinem künstlerisch geschulten Argusange entgeht nichts. „Steffi
seines Freundes Jarno zu nennen liebte. Diesen von der Zeiten
sagt er mit seinem klangvollsten Bariton, „die Herrschaften da
Mißgunst dahingerafften Musentempel im Schatten des Riesen¬
kriegen noch ein Bier!“ Die Herrschaften bedanken sich ge¬
rades hat längst schon der Tonfilm geholt. Aber dafür floriert
schmeichelt für die Aufmerksamkeit. Es sind kunstbegeisterte junge
ganz in der Nähe das kleine „Volksvarieté“, dessen Konturen
Herren aus der Brigittenau, die sich, solange die Stars nicht auf¬
man schattenhaft in einer der frühesten Jugendnovellen Arthur
treten, teils ihrem Faschierten mit Krautsalat und teils der mit¬
Schnitzlers zu erkennen glaubt. Der große Puppenspieler ist
gebrachten „Braut" widmen. Der Direktor läßt sich vor Beginn
hier zwar nur ein kleiner Direktor, aber ein Wiener Original.
der Vorstellung nicht nehmen, seine Gäste mit einer gemütlichen
Mit berechtigten Stolz drückt er dem Besucher eine Programm¬
und würdevollen, mit ungeheurem Applaus bedankten Ansprach¬
karte seines seit drei Generationen noch nie vom Pleitegeier
besuchten Kunstinstituts in die Hand. Sie ist vielleicht ein bißchen
zu begrüßen.
indiskret, aber es sind jedenfalls ganz interessante Dinge, die sie
Und jetzt erscheinen die Stars. Als erste Nummer eine
ausplaudert. Hier sind nämlich sämtliche Stars abgebildet, die es
„Charaktertänzerin“, die etros komplizierte und im Prater für
nicht verschmäht haben, sich ihre Gage einmal auch im Prater
gewöhnlich nicht übliche Seelenzustände tanzt. „Fredi, waßt du,
auszahlen zu lassen. Auf der kleinen Bühne hat zum Beispiel
was die will?“ fragt eine Schöne ihren Kavalier, der wie rasend
Rudolf Schildkraut, bevor er der große Tragöde wurde, ein
klatscht. Und Fredi, der Kavalier aus Neulerchenfeld mit den
Parkett von nachtmahlenden Zuschauern mit einer jeden
modernen, schief nach vorn rasierten Koteleits, sagt schlicht ein
Abend stürmisch beklatschten „urkomischen Soloszene" begeistert.
großes, das Geheimnis jeder Kunstübung bis auf den Grund ent¬
Glawatsch und Tautenhayn sangen in ihrer Jugend
hüllendes Wort: „Was sie will? Ihr Nachtmahl wüll sie sich
hier ihre ersten Couplets. Und auch Raoul Aslan scheint
verdienen!“ das Programm geht weiter, Solonummern, Duo¬
es keinen Stein aus seiner Krone gekostet zu haben, als
szenen, dann ein diskret gepfefferter Schwank, in dem ein an¬
er den Gästen des kleinen Varietes mit Burgtheatertönen den
stelliges Dienstmädchen zu weit mehr Vätern kommt, als in der
„Gott und die Bajadere hinlegte und zum Dank für solid ge¬
Regel für ein einziges Baby benötigt werden. Am animiertesten
lieferten Applaus ein französisches Chanson zugab. Auch Ralph
wird die Stimmung, wenn der Hauskomiker auftritt; aber es
Benatzky und Josma Selim kehrten hier ein, nicht bloß zum
gibt noch einen Zauberkünstler, dann erscheint der Chef noch
Nachtmahl. Maikl sang und Klitsch deklamierte, und eine
einmal auf der Bühne und teilt mit, daß es zu seinen vom eben¬
schöne Herone von der Bellaria trat am gleichen Abend wie Tur
falls künstlerisch tätig gewesenen Vater und Großvater über¬
Wiener auf. An dieser Stätte erblickten, wie der Direktor erzählt,
nommenen Gepflogenheiten gehört, dem geehrten Publikum nach
eben nicht nur einige der bekannten Wiener Couplets das Licht
Schluß der Vorstellung aufs herzlichste eine gute Nacht zu
der Welt, sondern zwischen zwei Soloszenen der Hauskomiker ist
wünschen. „Nachdem es mir, schließt er, „leider nicht vergönnt
auch schon ein Einakter von Anton Wilogans gespielt worden.
ist, jedem einzelnen die Hand zu drücken, wünsche ich Ihnen zum
Und sicherlich bereitet es sowohl der Kartonsch wie
Beschluß einen wunderschönen Traum und mir, daß wir uns am
Marischka noch immer eine gewisse künstlerische Genug-
nächsten Sonntag bei vollständig neuem, geändertem, sensatio¬
tuung, wenn sie sich daran erinnern, daß auch sie einmal Ehren¬
H. P.
nellem Programm gesund wiederschen!“
gäste auf dieser Pablatsche der Prominenten waren.