VII, Verschiedenes 13, undatiert, Seite 228

13.
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„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes Unternehmen für
Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLEILE 11

Ausschnitt aus:
Innsbrucker Vogt, die
1.S.
vom
Das Lob Wiens — einmal anders
Im „Wiener Tag lesen wir:
Das Lob Wiens ist vorgestern von dem französischen
Unterrichtsminister Jean Zay in einer außerordentlich sym¬
pathischen Art verkündet und gepriesen worden. Bei festlichen
Anlässen werden gewöhnlich Reden gehalten, die bei aller
Herzlichkeit über den konventionellen Rahmen nicht hinaus¬
gehen. Diesmal aber wurde Wien von einem Franzosen so
geschildert, wie es wirklich ist und vor den Augen der Zu¬
hörer entstand ein Bild unserer Stadt, das sich von den ver¬
zerrten Darstellungen Wiens, wie sie in Wort, Schrift und
tönender Photographie zu Dutzenden zirkulieren, sehr stark
un erscheidet. Der Minister nannte als Repräsentanten öster¬
reichischen Geistes Grillparzer, Schnitzler, Hofmannsthal
und damit ist schon gesagt, wie er versteht, namlich
richtig. Ja, unsere Wiener Leichtigkeit ist wahrhaft nicht
Sorglosigkeit, sondern jene leichte Art, den Schmerz zu über¬
winden, die der franzosische Gast bewunderswert fand. Der
Oesterreicher liebt bloß das Gewaltsame und das Ver¬
krampfte nicht. Er zieht es vor, sich selbst in schweren Stun¬
den eher über sich selbst lustig zu machen, statt alle Welt, nur
nicht sich selbst für das verantwortlich zu machen, was ihm
wiederfahrt. Der Wiener liebt es, zu lächeln, auch wenn
ihm weh ums Herz ist, und wenn er sich wohl fühlt, dann
vermag er seine Heiterkeit zu äußern, ohne andere zu ver¬
letzen. Deshalb besteht, wie Jean Zay in seiner ungewin¬
lichen Rede hervorheben konnte, eine sehr enge Verwandt¬
schaft zwischen Wien und Paris, zwischen österreichischer und
französischer Lebensauffassung. Es ist gut, daß das in einer
hochoffiziellen Festrede überzeugend nachgewiesen werden
konnte, inmitten all der Unordnung, die auf dieser Welt
herrscht.