VII, Verschiedenes 13, undatiert, Seite 237

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Dichters stolze Naturehrfurcht daneben steht, hat sein Verachten nichts
Negierendes; kaum noch etwas Herabsetzendes. Die Menschen gelten
ihm als klein, weil sie von der Natur immerzu wegstreben; weil sie
ihr nicht vertrauen wollen; weil sie alles besser machen wollen. Könnten
sie sich dazu verstehen, ganz wieder in die Natur hineinzuwachsen, sich
ihrem innersten Wesen nach mit ihr zu decken, sie würden wieder groß
werden. Das ist Schönherrs Glaube; doch ist der Mann nichts
weniger als ein Prediger. Dafür ist er als Arzt zu sehr Realist und
praktischer Helfer. Und dafür hat er auch zuviel Humor. Schönherrs
Weltbild ist düster, aber mit seinem Humor wirft er aufhellende Lichter
hinein. So vollzieht sich für ihn der Ausgleich der Gegensätze; ganz
wie in der Natur, die, wie sein erstes, so auch sein letztes Wort ist.
Franz Servaes.
Der Schrecken der Völker.)
Die Völker verbluten bei der Ausrüstung von Landheeren und
Kriegsflotten. In fieberhaftem Tempo wird deren Vermehrung und Ver¬
stärkung betrieben. Mit banger Angst überwacht man sich gegenseitig.
Wehe dem Staate, dessen Nachbar ein brisanteres Geschoß oder eine
widerstandsfähigere Panzerplatte erfindet. Die bisherige Ausrüstung wandert
in die Rumpelkammer, und mit Milliarden von der Bevölkerung abge¬
preßten Steuergeldern wird jener Rekord zu schlagen versucht. Diesem
wahnwitzigen, angstvollen Hasten droht ein furchtbares Gespenst. Heute
schon ahnen erregbare Gemüter, wie das Riesenluftschiff aus fast un¬
erreichbarer Höhe Brund und Tod auf Armeen und Flotten herab¬
schleudert.
Es ist nun interessant, zu sehen, wie sich verschiedene Autoren zu
diesem unheimlichen Zukunftsbilde stellen. Während Rudolf Martin in
seinem (in der „Wage“ vom 14. September 1907 besprochenen) Buche
„Berlin—Bagdad" (Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1907) damit
einfach den Schauplatz des Zukunftskrieges der Erde entrückt und in die
Luft versetzt glaubt, will Seeliger darin ein Mittel erblicken, um
dem Kriege selbst ein Ende zu bereiten. Krieg dem Kriege ist seine
Devise. Von ihr beseelt, baut der Held seines Romanes, Waldemar
Quint, sein Luftschiff, das dem Sturme nicht standhält und von den
Wellen verschlungen wird. Mit der Zähigkeit des sein Ziel unverrückt
im Auge haltenden Genies geht Waldemar Quint sogleich daran, ein
neues Luftschiff zu bauen, nachdem er erkannt hat, welch unermeßliche
Energiequelle die atmosphärische Elektrizität bietet.
Er vermag Wasserstoff und Knallgas zu kristallisieren. Durch ersteres
bringt er, sein Fahrzeug zum Steigen, mit letzterem sprengt er in den
Basaltfelsen an der Küste Madeiras ein allen Gefahren standhaltendes
Laboratorium. Mit den Rhombendodekaedern aus Knallgas zerschmettert
er das Gefängnis der französischen Deportierten in Formigas und ver¬
schafft sich so ihm bis in den Tod ergebene Arbeiter.
*) Ein Weltroman von Ewald Gerhard Seeliger. Concordia, Deutsche
Verlagsanstalt (Hermann Ehbock), Berlin, W. 30