VII, Verschiedenes 13, undatiert, Seite 245

13. Miscellaneous
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kunft und sein Metier zu täuschen vermöchte. Daß ein Felix Salten, der Ueberlegene, will aber, daß das Un¬
blühender Kellner mehr Saft hat als ein verkümmerter
mögliche mit Ueberlegung und unter einem Regen von die auch ein Kind von ihm hat, trauen lassen. Zwöl¬
am Stamme verdorrter Aristokrat, braucht nicht be= Aphorismen angedroht werde. Der Arzt rührt kei¬
Jahre hat er die Frau und das Kind nicht zu sehen
wiesen zu werden. Der dramatisierten Anekdote und
Hand, um dem Schwächeren, der gewiß nicht schießen begehrt. Jetzt schnell die Heirat am Totenbett — ohne
ihrer Wendung zum Verbrecherstück half Herr Kramer wird, die Schußwaffe zu entreißen. Alle anderen
zwingenden Grund. Um sieben Uhr, eine Stunde später,
durch besonnene, nach keiner Richtung exzedierende oder
Möglichkeiten vernünftiger Lösung schneidet der Autor
st der Todeskandidat plötzlich genesen. Die Frau, die
parodierende Darstellung. Sein Josef Wessely ging auf
der seinen Willen haben möchte, eigensinnig ab. Das ist nur eine Formehe für die letzte Lebensstunde des
und wurde geknickt wie eine Blüte des Menschen nur ärgerlich und durchaus nicht dramatisch. Techn.
Mannes erwartete, ist sehr bestürzt, denn sie hat einen
geschlechtes. Die Gräfin, deren Schicksal tragisch wäre
als Selbstzweck, also nicht mehr als Geschicklichkeit.
Geliebten, der sie nicht verlieren will. Das Kind mag
wenn es in dem Stücke Logik und Konsequenz gäbe, ist Wenn nun die beiden Widersacher einander wohl von dem neuen Vater, den es nie kannte, nichts wissen
zu einer öden Passivität mit zwei sachten Ausbrüchen
konservierte Worte des Hasses ins Gesicht speien, bleiben Eine andere Freundin des Genesenen, eine Geliebte
verurteilt. Lili Marberg ließ in ihrer vornehmen
wir innerlich kühl. Manchen wird übel dabei. Der
jüngeren Datums, hat schon mit dem besten Freund¬
Mäßigung nicht merken, wie schwer es einer Künstlerin
Zeiger der Uhr rückt vor — in zwei Minuten soll der des nun Wiedererstandenen ein Verhältnis angeknüpft,
wird, ihre Schauspielerinstinkte zu Gunsten der Gesamt
tödliche Schuß knallen. Die Nerven sind gespannt. Eine
Allseits muß sich der Aermste, der schuldlos wieder dem
wirkung zu unterdrücken. Sie wendete die zärtlichste
geladene Schußwaffe auf der Bühne bringt das Gemüt Leben zurückgegeben ist, entschuldigen, daß er nicht ge
Kunst an die Charakterisierung der Farblosigkeit.
stets in Unordnung. Man könnte den billigen Effekt doch
storben ist. Herr Kramer gibt den gutmütigen Ent
Herr Kramer gab mit Herrn Weisse den
noch billiger haben. Ein Autor setze einen Mann auf
schuldigungen liebenswürdigsten, originellsten Ausdruck
zweiten Einakter, welcher „Der Ernst des Lebens" heiß
einen Baum, und ein zweiter, der den Mann hat, säg¬
Ringsum enttäuschte, verblüffte, verlegene Gesichter,
und nur ein Orpheumtrick ist, immerhin einige Wahr¬
unten langsam den Stamm durch. So könnte manche
und dazu noch der famose Klavierlehrer Schenk, der
scheinlichkeit. In der sterilen Zeit des dramatische
an Dichtkunst, Regie und Studium erspart werden
„Beschützer“ der Frau, der dem Genesenen die bitterster
Schaffens geschieht es immer häufiger, daß die Schau
Der Schuß fällt nicht oder der Baum stürzt nicht. Die
Vorwürfe macht, daß er ins Leben zurückgekehrt ist
spieler den Schein der Wahrheit über die Unmöglich¬
Drohung geht großmütig durch die Mitte ab. Der Man
Hier wird der grausame Salten gütig, verschwenderisch
keiten einer Dichtung breiten. Wer glaubt an den Arzt
hat seine Lektion. Nun also!
gütig; er schickt den unbequemen Mann, der inkorrek
der seinem Schwager auf den Tag genau den nahen To=
Die tiefe Psychologie, die Arthur Schnitzler au
genug gewesen ist, am Leben zu bleiben, in die Fremde
voraussagt, einzig, weil ihn dessen optimistische Welt¬
Menschen holt, welche vor dem sicheren Tode stehe
und verteilt unter die fröhlich Hinterbliebenen dessen
anschauung und dessen quietistische Lebensführung mit
hat Felix Salten zusammengerafft — das Beste gin
hebes Vermögen.
Mißgunst erfüllen? Weder auf Aerzte im allgemeinen
dabei verloren — und in den Lauf eines Revolve
Dieser Schwank ist reich an guten, freien Spässen
noch auf Aerzte, die einmal verknöcherte Hofmeister
geschoben. Was Schnitzler, der Denker, sein
flott und geschickt durchgeführt, mit Lachstoff bis in
waren, noch weniger auf das allgemein Menschliche lä߬
Melancholie, seinem innersten Wesen entringt, führt
die kleinsten Fugen gefüllt. Das ist der fröhliche
sich dieser höllische Vorgang anwenden. Wer glaub¬
gesunde, robuste Salten einfach rings um den T.
Beobachter und Spötter Salten, von schwer aus¬
auch, daß der zum Tode bestimmte Optimist sofort alle
spazieren — mit der immer schönen Aussicht an
geladenen Ideen befreit. Wohl sagte ein Naturforscher,
Lebenshoffnung ausgibt, dem Urteil des Hassers, das
Sudermann ... Weit besser gelang ihm die A¬
daß eine Blume stärkeren Duft ausströme, wenn eine
auch ein Fehlurteil sein könnte, voll vertraut? Wer
häufung und Verdickung älterer Schwankideen, die
Zwiebel daneben steht — und vor der Komödie „Auf¬
glaubt, daß der Todgeweihte gleich alle Brücken des
dem Einakter „Auferstehung" aufleben. Der To
erstehung stehen zwei Zwiebeln — aber es scheint
Lebens hinter sich abreißen und wirklich den Arzt, den
geglaubte und Totgewünschte platzt wieder fröhlich in
fraglos, daß die Komödie auch gut gewirkt hätte, wenn
Mann seiner geliebten Schwester, wie einen Hund nieder¬
Leben hinein. Um sechs Uhr, an der Pforte des Tode
ihr keine Dissonanzenkette vorangeschickt worden wäre.
schießen werde? Irrwahn könnte das möglich machen, hatte er sich noch rasch mit einer ehemaligen Geliebter
Rob.H.