13. Miscellaneous
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vielleicht schenkt er der deutschen Bühne schließlich
doch noch das Lustspiel, das viele seiner Freunde und
Verehrer von ihm erwarten. Daß er noch kein
größeres geschrieben hat, würde nichts beweisen, denn
das Lustspieltalent reift auch bei den Berufenen spät
und entwickelt sich langsam. Sie können es nicht
erwarten, die Verantwortlichen der Entwicklung; dieses
Trauerspiel sehnt sich nach einem Lustspiel, und es
ist schon da, denn die Gesellschaft steht besorgt vor
ihrem brütenden Dichter, mästet ihn mit Zureden, und
es kommt nichts heraus. Wie sollte es? Das Lustspiel
gibt man denen nicht, die es wollen, und gibt jener
nicht, den sie wollen. Gibt nicht die Liebenswürdigkeit
eines Talentes, das sich in üble Laune verzogen hat, weil
die gute Laune eben nicht zum Lustspiel langte.
Schnitzlers Tendenzen waren so dünn, daß sie wohl
oder übel der Weltanschauung weichen mußten. Es
ist das Los der Süßwasserdichter, daß sie die Begren¬
zung spüren. Am genießbarsten sind sie noch im Ab¬
schildern ihres Elements. Aber sie suchen vergebens
mit derselben oratorischen Weitläufigkeit Anschluß an
Meerestiefen wie ehedem an das Festland der sozialen
Gesinnungen. »Er ficht, hieß es damals, gegen das
gesellschaftliche Vorurteil, welches den Gefallenen die
einstige Verfehlung nicht vergißt und den Weg zu
späterem Glücke versperrt. Schon faul! Er ficht gegen
die Verführung der Theaterdamen durch kleine
Gagen. Er ficht gegen das Duell. Die Freiheit des
sozialgemuten Schnitzler konnte die Gesellschaft er¬
tragen. Es ist jene Freiheit, zu der sie fähig ist, und
die hundertmal schlimmer ist als die doch irgendwo
von einem geistigen Punkt gerichtete Unfreiheit.
Schnitzlers Humor wird keine Verwirrung stiften.
Schnitzer blickt jetzt empor. Aber hat etwa der Autor
des »Reigen die Hoffnung auf die große Lache ge¬
weckt, zu der nur der Blick von oben auf die Mensch¬
lichkeiten fähig wäre? Die erotische Psychologie geht
auf eine Nußschale der Erkenntnis, langt darum nicht
zum Aphorismus, nur zur Skizze, deren Technik über
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vielleicht schenkt er der deutschen Bühne schließlich
doch noch das Lustspiel, das viele seiner Freunde und
Verehrer von ihm erwarten. Daß er noch kein
größeres geschrieben hat, würde nichts beweisen, denn
das Lustspieltalent reift auch bei den Berufenen spät
und entwickelt sich langsam. Sie können es nicht
erwarten, die Verantwortlichen der Entwicklung; dieses
Trauerspiel sehnt sich nach einem Lustspiel, und es
ist schon da, denn die Gesellschaft steht besorgt vor
ihrem brütenden Dichter, mästet ihn mit Zureden, und
es kommt nichts heraus. Wie sollte es? Das Lustspiel
gibt man denen nicht, die es wollen, und gibt jener
nicht, den sie wollen. Gibt nicht die Liebenswürdigkeit
eines Talentes, das sich in üble Laune verzogen hat, weil
die gute Laune eben nicht zum Lustspiel langte.
Schnitzlers Tendenzen waren so dünn, daß sie wohl
oder übel der Weltanschauung weichen mußten. Es
ist das Los der Süßwasserdichter, daß sie die Begren¬
zung spüren. Am genießbarsten sind sie noch im Ab¬
schildern ihres Elements. Aber sie suchen vergebens
mit derselben oratorischen Weitläufigkeit Anschluß an
Meerestiefen wie ehedem an das Festland der sozialen
Gesinnungen. »Er ficht, hieß es damals, gegen das
gesellschaftliche Vorurteil, welches den Gefallenen die
einstige Verfehlung nicht vergißt und den Weg zu
späterem Glücke versperrt. Schon faul! Er ficht gegen
die Verführung der Theaterdamen durch kleine
Gagen. Er ficht gegen das Duell. Die Freiheit des
sozialgemuten Schnitzler konnte die Gesellschaft er¬
tragen. Es ist jene Freiheit, zu der sie fähig ist, und
die hundertmal schlimmer ist als die doch irgendwo
von einem geistigen Punkt gerichtete Unfreiheit.
Schnitzlers Humor wird keine Verwirrung stiften.
Schnitzer blickt jetzt empor. Aber hat etwa der Autor
des »Reigen die Hoffnung auf die große Lache ge¬
weckt, zu der nur der Blick von oben auf die Mensch¬
lichkeiten fähig wäre? Die erotische Psychologie geht
auf eine Nußschale der Erkenntnis, langt darum nicht
zum Aphorismus, nur zur Skizze, deren Technik über