VII, Verschiedenes 13, undatiert, Seite 258

13. Miscellaneous
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dem Wiener Feuilleton, deren Einfall unter dem franzö¬
sischen Dialog steht. Dieser Humor geschlechtlicher
Dinge lebt von der Terminologie und erst recht von der
durch Gedankenstriche verschwiegenen. Dieser Blick
auf Physiologisches kommt nicht von der Höhe,
und darum kommt auch die Metaphysik Schnitzlers
nicht von den Abgründen. Schnitzlers Separée
und Schnitzlers Kosmos sind von einem Wurzel¬
losen angeschaut. Die geistigen Spitzen
der
Schnitzlerschen Welt stechen in die Augen: jeder weist
darauf hin, das Zitat, das in den meisten Festartikeln
wiederkehrte, ist wirklich die Formel Schnitzlers : diese
Predigt der Unbeirrtheit. Sie könnte das Erlebnis
eines großen Ethikers sein, aber er würde sie schwerlich
in solchem Text halten: „Jeder muß selber zusehen,
wie er herausfindet aus seinem Arger, aus seiner Ver¬
zweiflung, oder aus seinem Ekel, irgendwohin, wo er
wieder frei aufatmen kann. Solche Wanderungen ins
Freie lassen sich nicht gemeinsam unternehmen, denn
die Straßen laufen ja nicht im Lande draußen, sondern
in uns selbst. Es kommt nur für jeden darauf an, seinen
inneren Weg zu finden. Dazu ist es notwendig, möglichst
klar in sich zu sehen, den Mut seiner eigenen Natur
zu haben, sich nicht beirren zu lassen. Das ist mit
Augen zu greifen. Es ist gewiß richtig, daß auf diesem
Weg ins Freie nicht gemeinsam zu spazieren ist, das
liegt in der Natur dieser Allegorie, die in dem Vergleichs¬
objekt leider nicht restlos aufgegangen ist. Der innere
Wege ist ein einsamer Weg, führt aber auch zum
Romantitel. Jeder in sich, Gott in uns alle. Aber es ist,
weiß Gott, weniger Glaube, weniger Metaphysik als das
bekannte In sich-Geschäft der neueren Psychologie.
Schnitzler ist ihr dichterischer Ausdruck, wie jene
bekannte Kulturschwitzerin versichert, die jetzt jeden
Abend um sechs nachsicht, ob nicht schon etwas
Kunstgewerbliches unter unserm Bette steht. Sie hat
noch nie van die Pflicht der Kunst, uns die Lebens¬
notwendigkeit zu schmücken, vergessen, aber sie begreift
alles, was Kultur ist, und fragt deshalb an Schnitzlers